Süddeutsche Zeitung

Polen:Ein Skandal zum Schaden der Frauen

Das polnische Verfassungsgericht verbietet Abtreibungen bei Fehlbildungen. Die Entscheidung der Richter kommt nicht zufällig gerade jetzt.

Von Florian Hassel

Irland, in dem die katholische Kirche lange ebenso einflussreich war wie in Polen, hat sein rigides Abtreibungsrecht 2018 liberalisiert. Nur noch Malta war mit einem kompletten Abtreibungsverbot ein Außenseiter in Europa. Jetzt stellt sich Polen, das größte und wichtigste Land in Mitteleuropa, an seine Seite. Das Urteil des rechtlich hoch umstrittenen Verfassungsgerichts (seit 2016 zum Marionettengericht in den Händen von Jarosław Kaczyński degradiert) ist ein Skandal zum Schaden polnischer Frauen.

Die Entscheidung kommt nicht von ungefähr ausgerechnet jetzt. Die von Kaczyńskis nationalpopulistischer Partei PiS geführte Regierung ist durch etliche Skandale beschädigt. Zudem ist sie nach monatelangen Versäumnissen in Polens Krankenhäusern und Verwaltungen nun mitverantwortlich für einen explosionsartigen Anstieg der Zahl der Covid-19-Infizierten. Ein Ablenkungsmanöver wie ein Abtreibungsverbot, das zumindest etlichen eingefleischten PiS-Wählern gefällt, kommt da gerade recht.

Ohne die Corona-Beschränkungen würden wohl wieder Zehn- oder Hunderttausende Polinnen gegen das Abtreibungsverbot auf die Straße gehen. So aber wird es erst einmal keinen Massenprotest geben - ein Kalkül von zynischer Perfidie, das längst ein Merkmal dieser Regierung ist.

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