Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingspolitik:Als sei nichts gewesen

Schändliches Kalkül: Trotz der humanitären Katastrophe in Kabul sieht die Regierung in Wien "keinen Grund, warum ein Afghane jetzt nach Österreich kommen sollte".

Von Alexandra Föderl-Schmid

In Kabul kämpfen Menschen verzweifelt um Plätze in einem Flugzeug, aber Österreichs Innenminister Karl Nehammer meint: "Es gibt keinen Grund, warum ein Afghane jetzt nach Österreich kommen sollte." Auch nach der Machtergreifung der Taliban halten Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg rhetorisch an Abschiebungen von Afghanen fest - wohl wissend, dass dies gar nicht mehr möglich ist. Österreich kooperiert mit Deutschland bei Abschiebeflügen, Berlin hat diese aber längst ausgesetzt. Selbst Kritik des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, Abschiebungen nach Kabul seien ein Verstoß gegen die in der Verfassung verankerte Menschenrechtskonvention, lassen die Politiker der konservativen ÖVP an sich abperlen.

Aus reinem Kalkül: Die Partei nutzt wieder einmal das Asylthema zur Profilierung und will es nicht der noch rechteren FPÖ überlassen. Schließlich brüstet sich Bundeskanzler Sebastian Kurz regelmäßig damit: Er habe nach 2015 für die Schließung der Balkanroute gesorgt, über die viele Geflüchtete nach Mitteleuropa kamen.

Inzwischen ist die ÖVP in einer Koalition mit den Grünen, die seine Politik allerdings mittragen und damit ihre politischen Ideale verraten, um an der Macht zu bleiben. Es ist schändlich angesichts dieser humanitären Katastrophe in Afghanistan.

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