Süddeutsche Zeitung

Lexikon:Die Mütter von der Plaza de Mayo

Seit fast 50 Jahren erinnern Frauen in Buenos Aires Woche für Woche an ihre verschwundenen Söhne und Töchter, auch im Fernsehen. Das hat unter der neuen Regierung ein Ende.

Von Christoph Gurk

Sie waren ganz normale Mütter, die zu Heldinnen wurden - allerdings unter den schrecklichsten Voraussetzungen, die man sich nur vorstellen kann. 1976 hatte sich in Argentinien das Militär an die Macht geputscht und begonnen, Oppositionelle und Regimegegnerinnen verschwinden zu lassen. Menschenrechtsorganisationen gehen heute von 30 000 Opfern aus. Mütter begannen, nach ihren Söhnen und Töchtern zu suchen. Auf der Plaza de Mayo, dem Platz im Zentrum von Buenos Aires, trafen sie sich. Stumm drehten sie ihre Runden, ein weißes Tuch auf dem Kopf. 1983 kehrte die Demokratie zurück, und Argentinien hat seitdem wie kaum ein anderes Land in Lateinamerika die Verbrechen der Diktatur aufgearbeitet. Die Mütter von der Plaza de Mayo wurden zu einem Wahrzeichen des Landes, einer politischen Institution, mit eigener Sendung im Fernsehen. Diese wurde nun aber aus dem Programm genommen: Die neue rechtslibertäre Regierung von Javier Milei zweifelt die Zahl der 30 000 Opfer an und sagt, das Militär habe damals mit seinen Gräueln nur auf linken Terror reagiert. Jedes Jahr am 24. März wird am Jahrestag des Putsches der Opfer der Junta gedacht. Viele sind bis heute nicht gefunden worden - und jede Woche drehen die Mütter der Plaza de Mayo darum weiter ihre Kreise.

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