Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Abdankung

Wenn Regenten vor ihrem Tod gehen, ist das selten mit allgemeinem Wohlgefühl verbunden. Anders nun in Dänemark.

Von Marcel Laskus

Dass das Wort "Abdankung" einen Dank beinhaltet, ist als lieb gemeinte Geste der Sprachschöpfer zu respektieren. Mit der Realität hatte es oft nicht viel zu tun. Wenn sich ein Monarch von der Macht löste, war ihm zu diesem Zeitpunkt weder das Volk für seine Regentschaft besonders dankbar, noch hatte der Regent gegenüber diesem Volk besondere Gefühle. Eher ging es um Zwänge, verpackt hinter der watteweichen Fassade vermeintlicher Freiwilligkeit. 1907 erklärten die Franzosen Thành Thái, Kaiser der vietnamesischen Nguyễn-Dynastie, für geisteskrank und brachten ihn so zur Abdankung. 1918 spülte die Novemberrevolution den deutschen Kaiser aus dem Amt. Von großer Dankbarkeit im Rahmen dieser Ereignisse ist genauso wenig überliefert wie von der Abdankung Napoleons, der nach vorausgegangenen militärischen Niederlagen 1814 abtrat und zumindest zeitweilig das Weite suchte. Die nicht unwahrscheinliche Gemütslage unter Abdankungsbeteiligten: Danke für nichts. Dabei geht es durchaus anders. Das sieht man nun bei Margrethe II., die sich nach 52 Jahren Regentschaft in den Ruhestand verabschiedet hat. Viele Dänen empfinden für ihre skandalfreie, kettenrauchende Königin tatsächlich Dankbarkeit.

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