Süddeutsche Zeitung

Hans-Joachim Eckert:Größter Sepp-Blatter-Versteher auf dem Planeten

Lesezeit: 2 min

Von Claudio Catuogno

Im Justizzentrum an der Nymphenburger Straße, wo Hans-Joachim Eckert in einem schlichten Richterzimmer die großen Wirtschafts-Strafsachen bearbeitet, werden sie jetzt langsam nervös. Seit 2003 leitet Eckert, 66, die 6. Strafkammer des Landgerichts München I. Schmiergeld bei der BayernLB, krumme U-Boot-Deals, Korruption bei Siemens - Eckert gilt als Fachmann für heikle, auch politische Verfahren. Schon als Staatsanwalt galt er als Korruptionsbekämpfer mit internationalen Meriten: Die EU schickte ihn nach Bulgarien, um 300 Morde im Umfeld von Politik und Wirtschaft mit aufzuklären. Der Name Eckert hat bisher in Justizkreisen einen ausgezeichneten Klang. Aber nun gilt ausgerechnet Eckert als der größte Sepp-Blatter-Versteher auf diesem Planeten.

Eckerts Name steht unter jenem Bericht, der dem Fußball-Weltverband Fifa ein weitgehend sauberes Verfahren bei der Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar bescheinigt. Wohl noch nie hat ein Münchner Richter weltweit ein so verheerendes Echo ausgelöst. Nicht nur, dass die von Affäre zu Affäre schlingernde Fifa den Bericht als Komplett-Freispruch feierte. Eckerts Zuarbeiter in der Fifa-Ethikkommission, der US-Staranwalt Michael Garcia, will das Urteil anfechten: Eckert seien "unvollständige und falsche Darstellungen der Fakten" sowie falsche Schlussfolgerungen unterlaufen. In München fragt man sich: Nimmt langsam auch das Landgericht Schaden?

Garcia und Eckert sind die Schlüsselfiguren der 2012 reformierten, als "unabhängig" bezeichneten Fifa-Ethikkommission. Garcia ist der Chefermittler, Eckert spricht die Urteile. Von Anfang an kam dabei Fifa-Präsident Sepp Blatter merkwürdig gut weg. Ein Schweizer Gericht kam etwa zu dem Schluss, dass Blatter nicht nur von Millionen-Schmiergeldern an seinen Vorgänger wusste, sondern auch die Aufklärung behinderte. Der Ethik- Richter Eckert erkannte darin nur "ungeschicktes Verhalten". Und nun also der Persilschein für Russland und Katar.

Kollegen fragen sich: Ist ausgerechnet Eckert zu naiv um zu erkennen, wie das Fifa-Business läuft? Schwer zu glauben bei dieser Vita. Der einstige Fifa-Reformer Mark Pieth, der Eckert für den Job vorgeschlagen hatte, hat eine andere Erklärung: Der Deutsche sei zu sehr Formalist; er habe das Verfahren "wie ein deutscher Strafrichter" geführt. Und auch dies wird nun weltweit diskutiert: Darf bei den Fifa-Ethikern gar nichts Substanzielles herauskommen - weil die Fifa sie ja fürstlich bezahlt?

Zumindest letzteres scheidet als Erklärung wohl aus. Blatters Angebot einer sechsstelligen Aufwandsentschädigung hat Eckert nach eigenen Angaben abgelehnt. Er hat seinen Ruhestand gerade erst um zwei Jahre aufgeschoben, als Richter ist er restriktiven Nebenverdienst-Richtlinien unterworfen. Gemessen am Aufwand kriegt er ziemlich wenig Geld von der Fifa. Dafür, dass er seinen Ruf riskiert, ist es sogar sehr wenig.

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Quelle:
SZ vom 17.11.2014
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