Süddeutsche Zeitung

Google:Der erste Riegel

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Ein Münchner Gericht stoppt die Zusammenarbeit des Gesundheitsministeriums mit dem Digitalkonzern. Ein historisches Urteil, aber es sollte erst ein Anfang sein.

Von Andrian Kreye

Am Mittwoch fällte das Landgericht München 1 ein historisches Urteil. Es erließ eine Einstweilige Verfügung, die eine weitere Zusammenarbeit des Bundesgesundheitsministeriums mit dem Digitalkonzern Google verbietet. Die beiden hatten im November vereinbart, dass bei den Suchen nach verschiedenen Krankheiten neben den Suchergebnissen ein Infokasten der Webseite gesund.bund.de erscheint. Das war kartellrechtlich ein Problem, weil so ein Infokasten sämtliche Mitbewerber abhängt. Geklagt hatte eine Webseite des Burda-Konzerns.

Der Beschluss ist die erste Einstweilige Verfügung gegen Google, die in Europa erlassen wurde. Das wäre schon historisch genug. Sicher war die Zusammenarbeit des Ministeriums mit dem Silicon Valley als Maßnahme geplant, die Fake News und Querdenkerei einhegen sollte. Aber erstens ging es nicht nur um Corona, sondern um etwa 160 verschiedene Krankheiten. Zweitens ist so eine Zusammenarbeit spätestens dann auch inhaltlich problematisch, wenn besagtes Ministerium sich berechtigter Kritik ausgesetzt sieht. Und drittens wirkt es wie Hohn, wenn ausgerechnet ein Ministerium, das in der Pandemie so viel Wind um den Datenschutz macht, dass der Seuchenschutz darunter leidet, sich mit einer der größten Datensaugmaschinen der Gegenwart einlässt.

Der Fall ist auch eine rechtsgültige Bestätigung einer Macht, die Digitalkonzerne gerne abstreiten. Selbstverständlich können die großen Portale den Nachrichtenfluss mit Änderungen in den Algorithmen und wenigen Mausklicks steuern. Sie beeinflussen dann auch den Lauf der Geschichte. Deswegen war es zum Beispiel ein so ambivalenter Sieg der Demokratie über den Pöbler Trump und dessen Anhänger, als die sozialen Netzwerke seine und die Konten Zehntausender Rechtsradikaler sperrten.

Das ist so etwas wie digitale Brandrodung

Im Fall Burda gegen Google geht es aber auch um einen fairen Wettbewerb, nicht nur um Meinungsfreiheit. Die Webseite des Bundesgesundheitsministeriums ist mit Steuergeldern finanziert. Ähnlich wie die Webseiten der öffentlich-rechtlichen Sender mit ihren Gebührenmilliarden sind sie im Netz für privatwirtschaftliche Medien wie die Burda-Webseite oder auch die SZ eine Konkurrenz mit einem gewaltigen Wettbewerbsvorteil. Wenn sich dieser Vorteil mit der Reichweite und Kapitalkraft von Google verbündet, ist das so etwas wie digitale Brandrodung.

Diese Macht spielen die amerikanischen Digitalkonzerne immer wieder aus. Sie fühlen sich weder einer wie auch immer gearteten Öffentlichkeit noch einem Gesellschaftsvertrag oder einer Ethik verantwortlich, sondern ausschließlich ihren Aktionären. Wenn sie vermeintlich ethisch handeln, dann hat das immer einen Grund, den die Marketingabteilung ausgearbeitet hat. Und sei es die Schaffung eines Ethikrates.

Wenn nun also das Landgericht München 1 dieser Macht einen, wenn auch nur kleinen und regional wirksamen, Riegel vorgeschoben hat, so ist dies ein wichtiger Schritt. Denn nur wenn die Macht der Konzerne als Realität im öffentlichen Bewusstsein angekommen ist, lassen sich auch Wege finden, die demokratischen und freiheitlichen Werte der realen Welt im Netz durchzusetzen. Das Kartellrecht ist dabei immer ein guter erster Hebel. Denn Wettbewerbsvorteile gibt keine Firma freiwillig auf.

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