Süddeutsche Zeitung

Geschichtsbild:München gegen rechts

Die Massendemonstration gegen Rechtsextremismus am vergangenen Sonntag war nicht die Erste ihrer Art in der bayerischen Hauptstadt.

Von Joachim Käppner

Als vergangenen Sonntag je nach Zählung zwischen 100 000 und einer Viertelmillion Menschen auf die Straße gingen, war dies eine der größten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in der Geschichte der Bundesrepublik. Für manche Teilnehmer lag der Grund, für die Republik Flagge zu zeigen, auch in Münchens spezieller Geschichte als "Hauptstadt der Bewegung", der Nazis nämlich. In München wuchs und gedieh der Nationalsozialismus, 1923 versuchte Adolf Hitler hier einen Putsch. Vier Jahre zuvor hätte es kaum jemand für möglich gehalten, dass München die Hochburg antisemitischer und demokratiefeindlicher Verschwörungsmystiker werden würde: Für kurze Zeit war Bayern nach dem Ersten Weltkrieg eine sozialistische Republik, geführt und zusammengehalten von dem populären USPD-Politiker Kurt Eisner. Die Rechtsextremisten aber entfesselten eine antisemitische Kampagne gegen ihn, am 21. Februar 1919 erschoss ihn ein fanatisierter Student. Eisners Begräbnis fünf Tage später wurde zu einer Massendemonstration für die Freiheit und gegen die Gefahr von rechts. Zehntausende gaben ihm in München das letzte Geleit, die Kirchenglocken läuteten. Und der Schriftsteller Kurt Tucholsky schrieb: "Kurt Eisner starb - und lebt in unser aller Herzen" und beschwor die Freiheit: "Doch du sollst flammen, schüren, leuchten, brennen. Luft! Gib uns Luft, darin wir atmen können!" Doch es sollte nicht sein, damals.

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