Süddeutsche Zeitung

Corona:Es ist zum Heulen

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Uneinsichtige Ungeimpfte und dreiste Politiker verschlimmern die Notlage. Da platzt sogar RKI-Präsident Lothar Wieler der Kragen.

Kommentar von Werner Bartens

Schluss mit naiven Beschönigungen der Pandemie. Stopp mit abstrusen Hörensagen-Zweifeln an der Impfung und ähnlichem Unsinn, den leider auch Schauspieler, Fußballer und Kabarettistinnen verbreiten. Augen auf, wie eng die Situation in Kliniken bereits ist. Den Ernst der Corona-Lage kann man an der Inzidenz, an Intensivbetten und der Impfquote ermessen - oder an Lothar Wieler, der am Mittwoch von 400 unvermeidbaren Todesfällen täglich gesprochen und gewarnt hat, dass "schlimme Weihnachten" bevorstehen.

Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, der sonst stoisch Bilanzen verkündet, hat in einer Aussprache mit Sachsens Ministerpräsident mit Nachdruck auf die Notlage hingewiesen, die sich noch verschlimmern wird. Er wiederholte, dass keiner verhindern könne, dass bei täglich 50 000 Neuinfektionen 400 Menschen an dem Virus sterben werden, und zwar täglich - "daran ist nichts mehr zu ändern".

Denen, die sich nicht impfen lassen, dürfe es nicht erlaubt werden, sich zu entziehen oder freizutesten, denn "mit Tests kriegen wir das Virus nicht aus dem Land". Wäre Wieler von anderem Temperament, er hätte wohl geheult oder geschrien. Nützt nichts, hätte die verzweifelte Lage aber noch deutlicher gemacht.

Es ist dreist, wie Bayerns Ministerpräsident Söder die Wissenschaft kritisiert

Es ist tatsächlich zum Verzweifeln. Seit Juli hat das RKI gewarnt, der Herbst 2021 werde schlimmer als 2020, wenn die Impfquoten niedrig bleiben und die Kontakte zahlreich. Seit Monaten sind diese Szenarien publik. Seit Monaten zeigen Studien, dass die Wirkung zwar nachlässt, Impfungen aber dennoch am besten schützen. Intensivzahlen wie auch Inzidenzen von unter 100 bei Geimpften und mehr als 1000 bei Ungeimpften belegen das.

Behaupten Politiker wie Markus Söder dreist, Wissenschaftler hätten die Bedrohung nicht kommen sehen, ist das unverschämt. Lassen sich 15 Millionen Erwachsene mit fadenscheinigen Argumenten noch immer nicht impfen, ist das unverantwortlich und verdient keinerlei Rücksicht. Beides ist schlichtweg: zum Heulen.

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