Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Bekennerschreiben

Ein Instrument von Terroristen, die damit noch lange keine Verantwortung für ihre Taten übernehmen.

Von Claus Hulverscheidt

Im zynischen Kalkül von Terroristen bemisst sich der "Erfolg" eines Anschlags oftmals an zwei Kriterien: der Zahl der Opfer und dem Grad der Aufmerksamkeit, die der Tat zuteilwird. Je größer das Entsetzen ist, desto mehr Menschen erreicht in dieser Logik auch die politische Botschaft, mit der die Täter ihre Gewalt zu rechtfertigen versuchen. Ein Mittel der Wahl ist dabei das Bekennerschreiben, das früher auf der Schreibmaschine getippt und etwa bei einer Zeitungsredaktion in den Briefkasten geworfen wurde. Heute wird es in der Regel über das Internet oder Kurzmitteilungsdienste wie Telegram verbreitet. Eines der Ziele kann sein, neue Rekruten für den bewaffneten Kampf zu gewinnen. Gerade für den "Islamischen Staat", der den Anschlag auf eine Konzerthalle bei Moskau verübt haben will, dürfte dies eines der Motive sein. Manchmal heißt es in der Öffentlichkeit, eine Gruppe habe mit der Veröffentlichung eines solchen Pamphlets für eine Tat "die Verantwortung übernommen". Genau das aber tut sie nicht, denn es steht ja niemand persönlich für den Anschlag ein. Im Gegenteil: Die Namen der angeblich Bekennenden bleiben trotz des Schreibens im Dunkeln.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.6484554
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.