Süddeutsche Zeitung

Zweite Staffel "Westworld":"Ein gewaltiges Epos"

Lesezeit: 2 min

Von Jürgen Schmieder

Es war ein hundsgemeiner Streich, den die Verantwortlichen von Westworld ihren treuesten Fans spielten. Es hatte ja seit The X-Files oder Lost nicht mehr derart mannigfaltige Zuschauertheorien zu einer Serie gegeben, also machte Showrunner Jonathan Nolan den Zuschauern auf der Web-Plattform Reddit ein diabolisches Angebot: Wer bei einem 25-Minuten-Video die Abspieltaste drückt, der bekommt sämtliche Fragen zur zweiten Spielzeit schon vor der Ausstrahlung beantwortet.

Es war ein zehn Jahre alter Trick, bekannt unter dem Namen "Rickrolling": den Leuten im Internet etwas Grandioses versprechen, damit sie einen Link klicken - und ihnen dann durch die Präsentation des Musikvideos zu Never Gonna Give You Up von Rick Astley zu vermitteln, dass sie veräppelt wurden. Wer auf das Westworld-Video klickte, der sah Darstellerin Evan Rachel Wood, wie sie diesen mehr als 30 Jahre alten Popsong schmettert.

Es gab zu dieser Serie, deren zweite Staffel von Sonntag an auf dem Pay-TV-Kanal HBO und in Deutschland bei Sky zu sehen sein wird, bislang derart viele Blicke in die Glaskugel, dass irgendwann mal eine richtig sein musste. Wer auf Reddit etwas korrekt zu Westworld prognostizierte, wurde von den anderen Fans als Prophet gefeiert, selbst wenn er nur Glück gehabt hatte. Mit diesem Fan-Wahnsinn spielte Nolan nun mit seinem Rickrolling-Streich.

Es wäre völliger Blödsinn, an dieser Stelle zu erklären, worum es in Westworld geht - außer um einen futuristischen Freizeitpark, in dem Leute mit den verdammt realistisch aussehenden (und irgendwann verdammt realistisch agierenden) Robotern tun können, was immer sie möchten: Sie können mit ihnen reden, sie können mit ihnen schlafen, sie können sie umbringen. Nun weiter zu erzählen wäre ungefähr so, als würde man kurz mal oberflächlich über das Buch Unendlicher Spaß von David Foster Wallace sprechen. Man würde die Fans langweilen (und mit Spoilern verärgern) und alle anderen, die noch keine Folge gesehen haben, völlig verwirren.

Westworld ist keine Serie im klassischen Sinn, es gibt keine Dramaturgie, die auf einen Konflikt und dessen Lösung oder eine unausweichliche Katastrophe zusteuert. Es ist vielmehr ein Puzzle, das von mehreren Seiten und manchmal auch aus verschiedenen Zeiten zusammengesetzt wird und dabei sämtliche Nuancen des Menschseins beleuchtet. Wem das gefällt, der dürfte Westworld für die tollste Erfindung seit dem Zauberwürfel halten, alle anderen wundern sich, was für einen Bockmist sie da sehen.

Nolan ist sich dieser Ambivalenz bewusst, und es war für ihn ein Heidenspaß, den gerade perfekt zusammengesetzten Zauberwürfel am Ende der ersten Staffel mit einem Vorschlaghammer zu zertrümmern. Er hat die Show auf den Kopf gestellt, und wer nun die ersten Episoden der zweiten Staffel sieht, der dürfte bemerken: Nolan hat diesem dreidimensionalen Würfel noch ein paar Dimensionen hinzugefügt. Über das Ende der neuen Spielzeit sagt er: "Die letzte Folge wird einfach weitergehen und weitergehen - es wird ein gewaltiges Epos sein."

Das Faszinierende an Westworld ist, dass Nolan seine Zuschauer an diesen Punkt geführt hat, an dem sie unbedingt wissen wollen, worum es wirklich geht und wie es weitergeht; es aber dann doch keinesfalls zu früh erfahren möchten. Es kann für eine Serie kein größeres Kompliment und für einen Showrunner kein größeres Lob geben.

Westworld , Sky Atlantic, montags, 20.15 Uhr.

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SZ vom 23.04.2018
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