Süddeutsche Zeitung

"Familie Braun" im ZDF:Der Nazi und seine schwarze Tochter

Lesezeit: 2 min

Die ZDF-Serie "Familie Braun" will das Thema Fremdenhass satirisch aufarbeiten. Doch zu lachen gibt es darin wenig.

TV-Kritik von David Denk

Erinnert sich noch jemand an Leroy? Die Coming-of-Age-Komödie von Armin Völckers aus dem Jahr 2007, in der sich ein Teenager aus Berlin-Schöneberg in eine engelsblonde Mitschülerin verliebt? Sie heißt Eva, ihre Familie Braune - und benimmt sich auch so, was zur Belastung für die Beziehung wird, denn Leroy hat eine deutsche Mutter und fühlt sich als Berliner - aber einen afroamerikanischen Vater.

Der Film ist nicht perfekt, aber in seiner märchenhaften Überhöhung gelingt ihm, woran die neue achtteilige ZDF-Webserie Familie Braun in etwa fünfminütigen Episoden krachend scheitert: satirische Funken zu schlagen aus der Konfrontation von Fremdenhassern mit den Adressaten ihres Hasses und der Verunsicherung, die es mit sich bringen kann, wenn der vermeintliche Feind sich als doch ganz nett entpuppt.

Die Prämisse kann die Serie nicht tragen

Das Problem von Familie Braun, entwickelt in der ZDF-Nachwuchsredaktion Kleines Fernsehspiel, ist, dass schon die Prämisse nicht trägt. Eine gelungene Fiktion zeichnet sich ja dadurch aus, dass man sie nicht hinterfragt, ihre Behauptung, auch wider alle Wahrscheinlichkeit, zu glauben bereit ist.

Hier glaubt man nichts: Eines Tages eröffnet ein früherer One-Night-Stand dem Neonazi Thomas Braun (Edin Hasanovic), dass er eine Tochter hat und lässt die sechsjährige Lara (Nomie Lane Tucker) gleich da. Warum eine Mutter das tun sollte? Na weil sie in ihre Heimat Eritrea abgeschoben wird, wie sie ungerührt erzählt.

Und dann vertraut sie ihr offenbar einziges Kind ausgerechnet dem Mann an, mit dem sie vor Jahren im Keller eines Flüchtlingsheims schlechten Sex hatte? Ganz zu schweigen von der Unwahrscheinlichkeit dieser Paarung. "Die war damals heller", behauptet Thomas.

Spaß oder Dramatik?

Angeblich, so will es zumindest die ZDF-Pressemitteilung, erzählt Familie Braun (Buch: Manuel Meimberg; Regie: Maurice Hübner) "mit viel Humor" vom Zusammenleben Laras mit ihren neuen Pflegevätern Thomas und dessen unter anderem sexuell verwirrten Mitbewohner Kai Stahl (Vincent Krüger) in einer mit Nazi-Devotionalien überladenen Wohnung, in der sogar der Wasserkocher mit einem Hakenkreuz verziert ist. Doch zu lachen gibt es wenig, dafür ist das ganze Konstrukt zu lachhaft und zu unentschlossen: Klamauk oder Drama? Ach komm, beides, irgendwie.

Jeder Hitler-Gag verlangt im deutschen Fernsehen offenbar nach Buße. Lara muss nur mit großen Augen ein paar arglose Fragen stellen ("Was ist Hakenkreuz?", "Seid ihr schwul?") - und ihr Neonazi-Papa wird weich und klampft ein Schlaflied. Aus Mein Kampf vorlesen hat nicht gereicht.

Zu viel Konfusion

Die ungeahnten Vatergefühle bekommt Laras Lehrer (Stephan Grossmann) zu spüren, der beim Hausbesuch die "Überfremdung" der Klasse geißelt, und plötzlich eine Mohammed-Zeichnung auf dem Rücken spazieren trägt, praktischerweise durch eine dunkle Gasse voll finsterer Gestalten, die sich provoziert fühlen.

Wieso Lara ausgerechnet den Propheten zeichnet und wie es Thomas gelingt, das Blatt dort anzubringen, gehört zu den Myriaden überflüssiger Fragen, die Familie Braun aufwirft. An Konfusion steht die Serie ihren trotteligen Protagonisten in nichts nach.

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SZ vom 12.02.2016
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