Süddeutsche Zeitung

Serie "Wild Republic":Horror im Hochpustertal

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Die Serie "Wild Republic" ist eine "Herr der Fliegen"-Variante in den Alpen. Mit kriminell guten Jungschauspielern.

Von Christine Dössel

Jugendliche Kriminelle, die zwecks Besserung in die Alpen geschickt werden, also von der schiefen Bahn auf die steile Hanglage: Da droht höchste Abrutschgefahr. Das ist die Grundidee des deutschen Achtteilers Wild Republic, einer sogenannten Drama-Adventure-Serie (koproduziert von Magenta TV mit Arte, WDR, SWR und One). Was als erlebnispädagogische, resozialisierende Maßnahme eingeleitet wird, mit der Option, bei Wohlverhalten dem Knast zu entgehen, gerät schon in der ersten Folge außer Kontrolle, als der einheimische Bergführer tot vor dem Zeltlager liegt. Wurde er ermordet? War es einer von ihnen?

Die jungen Kriminellen fliehen in eine Höhle in den Bergen

Die Jugendlichen haben einschlägige Erfahrungen mit der Polizei gemacht, sie wissen, was jetzt folgt an Verdächtigungen und Sanktionen. In Panik fliehen sie ins Hochgebirge und verstecken sich in einer mystisch anmutenden Höhle, in der praktischerweise nützliche Dinge lagern (es wird sich am Ende noch herausstellen, warum). In der alpinen Wildnis bilden sie eine Stammesgemeinschaft mit eigenen Regeln und eigener Rechtsprechung, inklusive Brandzeichen-Markierung für jeden und jede. Die Devise: "Fucking Neustart!"

Wie verhalten sich Menschen in außerzivilisatorischen Extremsituationen, wenn sie mit der Natur konfrontiert werden, vor allem mit der eigenen? Es ist die beliebte Versuchsanordnung aus William Goldings "Herr der Fliegen", die in Wild Republic einmal mehr variiert wird. Das ist auch in der Bergwelt ein reizvolles soziales Experiment. Es kommt zu den üblichen gruppendynamischen Prozessen, zur Paar- und Parteienbildung, zu Gewaltausbrüchen und Manipulation. Auch die genretypische Kriegsbemalung bleibt nicht aus, sie erfolgt nach ausreichend Magic-Mushrooms-Genuss.

All das ist aber gar nicht so krass, wie man das als Zuschauer womöglich erwartet oder befürchtet. Das passable, nicht auf Action und Exzess gepolte Drehbuch (Arne Nolting, Jan Martin Scarf, Klaus Wolfertstetter) verzweigt sich mehrspurig und erzählt in Rückblenden von der Vergangenheit und den Vergehen der Protagonisten, die zum Teil einfach nur Pech hatten. Pro Folge wird einer oder eine näher in den Fokus gerückt, womit sie Profil gewinnen.

In einem weiteren Erzählstrang steht der Psychologe Lars Sellien (Franz Hartwig) im Mittelpunkt. Der Initiator des Resozialisierungs-Experiments glaubt an die Unschuld seiner Schützlinge und recherchiert eigenständig, wobei er auf den Widerstand der lokalen Polizei und der Dorfbewohner im Tal stößt. Mit den jungen Straftätern ist auch seine schwangere Freundin Rebecca (Verena Altenberger) verschwunden; sie war die Betreuerin und wurde von ihnen als Geisel genommen. Auch der reiche Unternehmer Albrecht (Ulrich Tukur) mischt sich in die Suche ein. Sein ihn hassender Sohn Ron, ein Ökoaktivist, wird qua Charisma und Vernunft zum Anführer der wilden Republikaner (gespielt wird er von Merlin Rose, der an den jungen Mathieu Carrière erinnert).

Das ist bei aller Gemächlichkeit spannend erzählt, vor allem ist es exzellent besetzt und gefilmt (Regie: Markus Goller und Lennart Ruff). Gedreht wurde im Hochpustertal, in der Bergwelt um die Drei Zinnen und den Pragser Wildsee. Die Landschaftsaufnahmen sind atemberaubend und die Dolomiten schon für sich ein Spektakel. Aber auch die jungen Darsteller und Darstellerinnen sind durch die Bank hervorragend, frische Talente wie Emma Drogunova als cool-reservierte Kim, Maria Dragus in der Rolle der herben Heilerin Lindi mit rechtsnationalem Hintergrund oder der mit einem irren Blick begabte Béla Gabor Lenz als Justin. Zu sehen sind hier Schauspielstars von morgen.

Wild Republic, acht Folgen, in der ARD- und Arte-Mediathek.

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