Süddeutsche Zeitung

Wichtigste Auszeichnung als Online-Festakt:"In Richtung des Feuers"

Lesezeit: 1 min

Die Pulitzer-Preise 2020 sind vergeben. Die Verleihung war ein Signal für weiterhin starken und selbstbewussten Journalismus - allen Anfeindungen zum Trotz.

Von Aurelie von Blazekovic

Normalerweise werden die Pulitzer-Preise in der ehrwürdigen School of Journalism der Columbia University in New York verliehen. Normalerweise wäre das auch schon zwei Wochen früher passiert, aber man wollte den Juroren, die teilweise selbst mitten in der Corona-Berichterstattung steckten, mehr Zeit zum Sichten und Bewerten der nominierten Werke aus Journalismus, Literatur, Theater und Musik geben. Am Montagabend veröffentlichte die Organisation die Preisverleihung also als Youtubevideo. Es beginnt mit einem Foto-Zusammenschnitt des langen Auswahlprozesses. Untermalt von rührseliger Musik ist die mit hochkarätigen amerikanischen Journalisten und Verlegern besetzte Jury zu sehen: bei der Arbeit in Konferenzen, später in Videokonferenzen. Dann spricht die Vorsitzende des Pulitzer-Preises, Dana Canedy - aus ihrem Wohnzimmer.

Sie erinnert daran, dass die Pulitzer-Preise im Jahr 2020 nicht zum ersten Mal in "zutiefst herausfordernden Zeiten" vergeben würden. Ironischerweise bestünden sogar Parallelen zur ersten Verleihung im Juni 1917. Denn nur wenige Monate später wurde die Welt von einer Pandemie heimgesucht, der spanischen Grippe. Canedy verweist auch auf andere großen Krisen, während derer der Preis ebenfalls verliehen wurde: zwei Weltkriege, die Weltwirtschaftskrise, der Vietnamkrieg, die Ermordung von Martin Luther King und John F. Kennedy, der 11. September. Auch in schweren Zeiten, vielleicht gerade in solchen, wolle man Exzellenz im Journalismus, in Literatur, Theater und Musik zelebrieren, sagte sie. Journalisten würden - ähnlich wie die erste Linie der Verteidigung, die Helfer im Gesundheitswesen - "in Richtung des Feuers rennen". Und das, zumal in den USA, trotz der "unablässigen Angriffe auf die objektive Wahrheit" und der "koordinierten Anstrengungen, die freie Presse unserer Nation zu untergraben". Zu diesen Worten sind Bilder von Präsident Trumps Pressekonferenzen zu sehen.

Nach dieser feurigen Rede auf die Pressefreiheit und den Wert von sorgfältigem Journalismus folgen 13 schnörkellose Minuten, in denen die Nominierten in 21 Kategorien und die Gewinner verlesen werden. Zu ihnen gehört die New York Times für ihre Russlandberichterstattung und für eine Investigativrecherche zu Taxifahrern, die Baltimore Sun für ihre Lokalberichterstattung, die Nachrichtenagentur AP für ihre Fotos aus der Unruheregion Kaschmir und der Schriftsteller Colson Whitehead für seinen Roman Die Nickel Boys.

Am Ende sagt Dana Canedy ein feierliches "Glückwunsch an alle Gewinner", und im Video wird ein einsames, aber sehr würdiges Sektglas eingeblendet.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4897792
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.05.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.