Süddeutsche Zeitung

TV-Show: Italiens Ministerpräsident rastet aus:Ein Telefonjoker namens Berlusconi

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Ministerpräsident Silvio Berlusconi will sich Kritik nicht länger bieten lassen. In einer Fernsehsendung rastet er aus.

Christina Maria Berr

Der durch einen Sexskandal angeschlagene italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi zeigt Nerven. Der 74-Jährige, der im Visier der Mailänder Staatsanwälte wegen Begünstigung der Prostitution und Prostitution einer Minderjährigen steht, rastete am späten Montagabend in einer kritischen TV-Show aus und erging sich in wüsten Beschimpfungen gegen den Moderator und seine Gäste.

Schon eine ganze Weile ging es in der italienischen Livesendung L'Infidele, also "Der Untreue", um Ministerpräsident Silvio Berlusconi und seine Eskapaden. Dann sollte sich der Regierungschef per Telefonschalte höchstpersönlich zu den Vorwürfen äußern.

"Buona sera Presidente Berlusconi, hören Sie mich?", fragte Moderator Gad Lerner und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Was zunächst noch ganz höflich begann, endete schon bald in einer deutlichen Schimpftirade. "Buona Sera", erklärte der 74-jährige Ministerpräsident - und fand sogleich, es sei eine "widerliche Sendung unter einer verächtlichen, unflätigen und scheußlichen Moderation".

Das wiederum wollte Moderator Lerner vom Privatkanal La 7, der natürlich nicht zu Berlusconis Medienkonglomerat gehört, nicht auf sich sitzen lassen: "Sie haben schon genug geschimpft", befand er erbost. Offenbar ein Versuch, den Regierungschef zu stoppen. Doch dieser redete sich da gerade erst in Rage: Die Behauptungen über ihn und seine Sexaffäre seien "das Gegenteil der Wahrheit". "Ich weiß wovon ich rede, Sie nicht", polterte der Regierungschef.

Der Moderator bat um vorsichtigere Wortwahl, doch dezentes Vorgehen ist Berlusconis Sache nun wahrlich nicht. Er warf sich sogleich für "La Signora Nicole Minetti" in die Bresche. Die 26-Jährige, einst Berlusconis Dentalhygienikerin, war im vergangenen Jahr dank der Unterstützung ihres prominenten Patienten zur Regionalabgeordneten in der Lombardei gewählt worden. Doch derzeit hat sie vor allem Ärger mit der Mailänder Staatsanwaltschaft. Denn diese ermittelt gegen sie wegen der Beihilfe zur Prostitution.

Der Vorwurf der Justiz: Berlusconi soll junge Mädchen gegen Bezahlung zu orgienhaften Partys in seine Villa Arcore bei Mailand eingeladen haben. Zu diesem Harem soll unter anderen ein damals noch minderjähriges Mädchen gehört haben. Und Minetti wiederum soll just diese jungen Frauen ausgesucht und kontrolliert haben.

Das ließ Berlusconi in der Liveschalte nicht auf seiner Vertrauten sitzen. Minetti sei "intelligent, qualifiziert und seriös". Das könne er von den zu der Show eingeladenen Prostituierten nicht behaupten.

Der Moderator, mittlerweile die Arme angriffslustig vor der Brust verschränkt, konterte, Berlusconi sei ein "unerzogener Prolet" und Rüpel. Berlusconi legte noch einmal nach - doch das wurde dann auch dem Publikum im Studio zu viel. Es quittierte den Ausraster mit entrüstetem Gejohle und Buhrufen.

Das allerdings dürfte Berlusconi nicht mehr gehört haben, denn es tutete schon in der Leitung. Der Regierungschef hatte aufgelegt. Und er wird wohl demnächst wieder lieber in seinen eigenen Sendern sprechen. Denn TV-Programme, in denen er mit Samthandschuhen angefasst wird, hat er ja genug.

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