Süddeutsche Zeitung

"The Shrink next Door" bei Apple TV +:"Ich bin ein schrecklicher Therapeut"

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Ein Psychologe nutzt die Naivität eines Patienten aus, um persönlichen Profit herauszuschlagen. Klingt nach Felix Krull, beruht auf einer wahren Geschichte.

Von Clara Meyer

Zu Beginn jeder Folge von The Shrink next Door, auf Deutsch so viel wie "Der Seelenklempner von nebenan", kriechen Weinreben über das Hab und Gut von Marty Markowitz (Will Ferrell). Ein Sinnbild für den Psychotherapeuten Isaac "Dr. Ike" Herschkopf (Paul Rudd), der Stück für Stück Martys Leben einnimmt. "Er lebt in deinem verdammten Kopf", durchschaut Martys Schwester Phyllis (Kathryn Hahn) den Therapeuten. Als Marty selbst erkennt, was mit ihm passiert, ist es fast zu spät.

1981: Marty steht kurz vor seinem 40. Geburtstag, er leidet unter dem Tod seines Vaters, dessen gut laufenden Betrieb er jedoch übernehmen konnte. Sein Leben ist ein einziger Trott, und ihm scheint die Kontrolle darüber zu entgleiten. Auf Empfehlung besucht er Dr. Ike. Doch anstatt sich die Kontrolle zurückzuholen, gibt er sie direkt in die Hände des vor Charisma nur so sprühenden Therapeuten. "Du musst gar nichts machen. Ich werde mich um dich kümmern, ich werde mich um alles kümmern", lautet dessen Versprechen.

Marty fällt drauf rein. Es beginnt mit einer nachgeholten Bar-Mizwa, da ihm seine eigene 27 Jahre zuvor als Ursprung seiner erwachsenen Probleme verkauft wird. Es endet weitere 27 Jahre später. In der Zeit wird er Opfer der Machenschaften seines vermeintlichen Helfers. Er denkt, in Dr. Ike endlich einen Freund gefunden haben: "Psychologist, business partner, best friend." Und verliert durch ihn fast alles: Schmuck, Schlafzimmer, Schwester. Dr. Ike ist partysüchtig, genießt die Aufmerksamkeit und Marty gibt ihm das nötige Kleingeld, um seine Fantasien zu verwirklichen. Eine klassische Hochstapler-Geschichte.

Dem echten Betrüger wurde inzwischen die Lizenz entzogen

Was Apple TV+ als Serie konzipiert hat, beruht auf einem gleichnamigen Podcast . Das Genre: True Crime. Also ein wahrer Kriminalfall. Der echte Dr. Ike residierte einst in einer Villa in den New Yorker Hamptons, die dem echten Marty gehörte, der von Nachbarn und Gästen für den Gärtner gehalten wurde. Auch in der Serie glaubt man Marty oft nicht, dass es sein Geld ist, das Dr. Ike auf den Kopf haut. Zwar findet Ikes Frau Bonnie (Casey Wilson) es zunächst komisch, in Martys Schlafzimmer zu nächtigen, während der Hausherr ins Gästehaus verdrängt wurde. Doch Ike vermittelt glaubhaft, in bester Absicht zu handeln. Erst zu Beginn dieses Jahres wurde dem echten Betrüger seine Therapeuten-Lizenz entzogen.

Acht Folgen lang wird die fast drei Dekaden laufende toxische Therapeuten-Patienten-Beziehung erzählt. Das Verhältnis scheint zu kippen, als Marty immer mal wieder einer Person begegnet, die dem Psychologen misstraut. Doch bevor er ihnen Glauben schenken kann, hat Dr. Ike sie schon wieder gegen ihn ausgespielt. Marty lässt sich weiter einlullen, Ike positioniert sich in der Opferrolle: "Ich bin ein schrecklicher Therapeut."

In den ersten drei Folgen wird dieses Netz der Intrigen gesponnen. Hat man es durchschaut, schleppt sich der Plot aber nur noch dahin. Dazu kommt, dass die Charaktere nur schemenhaft gezeichnet sind. Das manipulative Verhaltensschema wiederholt sich Folge für Folge. Ob der schwarze Humor die Serie tragen kann? Vielleicht wäre der Fall in Spielfilmlänge besser aufgehoben gewesen.

The Shrink Next Door, acht Episoden, bei Apple TV+

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