Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Berlin:"Mögen Sie Tafelspitz?"

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Wer bei diesem "Tatort" müde wird, hat kein Interesse an der Gegenwart. Obendrein gibt's Einblicke in das Privatleben der Ermittler samt ihrer jungen Dates.

Von Theresa Hein

Da stehen sie jetzt also am Spreeufer, ein Vater (Stefan Kurt) und ein Sohn (Leonard Scheicher) und werfen sich gegenseitig an den Kopf, den Vater respektive Opa umgebracht zu haben. Beide sind überzeugt davon, dass der jeweils andere es getan hat, und am Ende fließt sogar ein bisschen Blut. Ein reales Vater-Sohn-Duo hätte sich nicht besser hätte anschreien können als Scheicher und Kurt.

Vom toten Opa, dem Bauunternehmer Klaus Keller (gespielt von Rolf Becker), handelt dieser Tatort, und davon, was sein Mord mit dem großen Ganzen zu tun hat. Wer vorab die Zusammenfassung dessen hört, was im Film abgehandelt werden soll, darf misstrauisch werden: Aufarbeitung von NS-Verbrechen, Antisemitismus, Neue Rechte, Schoah-Gedenkbemühungen, Ressentiments zwischen Ost und West, Wiedervereinigung. Hui. Aber, Überraschung, Drehbuchautor Christoph Darnstädt schafft das alles. Was daran liegen könnte, dass alle Aspekte, die dieser Film beackert, längst alltäglich geworden sind.

Wer bei diesem Film müde wird, der hat nicht nur kein Interesse an der Vergangenheit, sondern auch keines an der Gegenwart. Damit es nicht allzu belehrend wird, gibt es ein Zugeständnis: Die Ermittler Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) haben mal wieder ein wenig Privatleben (und vor allem - beide - auffallend junge Dates). Dass Karow eine Frau, die er vor fünf Minuten kennengelernt hat, als seine Freundin zum Abendessen bei den Eltern mitnimmt ("Mögen Sie Tafelspitz?"), ist dann doch etwas wild. Aber vielleicht macht man das in Berlin auch so, das ist von München aus immer so schwer zu sagen.

Am Ende ist alles so eindeutig, dass Rubin und Karow sich fragen müssen, warum sie nicht besser zusammengearbeitet haben. Aber wer hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt ist, der braucht halt länger. Und bingo, ohne "Scheiße" rufende Ermittler, die plötzlich die Erleuchtung haben, kommt kein noch so guter Tatort aus. Die große Verwirrung hebt sich "Ein paar Worte nach Mitternacht" (Regie: Lena Knauss) für die letzten Minuten auf, Enkel Moritz darf noch einen kleinen, feinen Bühnenmonolog aufsagen. Natürlich ist das kitschig, aber es ist auch: Theater. Und eine Möglichkeit, Fragen, die nie verjähren, in die beste Sendezeit zu holen. Wenn da ein bisschen Kitsch als probates Mittel dient, bitte.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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