Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Frankfurt:Die Wäschekorb-Tarnung

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"Funkstille" ist ein bisschen US-Crimestory in Hessen, ein bisschen Mutter-Tochter-Drama, ein bisschen erste Liebe. Der Mordfall ist eher höflicher Zaungast.

Von Theresa Hein

Was man im Frankfurter Tatort "Funkstille" lernt: Wie man sich in Rekordgeschwindigkeit mit einem Wäschekorb in der Hand ein schnelles Versteck sucht, ohne dass die Wäsche herausfällt. Außerdem: Dieselben Mütter, die den Wäschekorbtrick in der Tür draufhaben, haben eine Affäre mit dem (volljährigen) Nachbarssohn und können vor allem eine Sache ziemlich gut: Dinge geheimhalten.

Der Nachbarssohn, Schwarm der 17-jährigen Emily, wird umgebracht, und so wenig geht es um ihn, dass man sich nach zehn, zwanzig, dreißig Minuten dieses Films immer wieder in Erinnerung rufen muss, dass da ja am Anfang mal was war: ein Mord. Ah, stimmt, deswegen treten auch ab und zu als Randfiguren diese Kommissare auf, der glaubhaft grummelige Paul Brix (Wolfram Koch) und die gelinde von ihm genervte, aber halt doch einfach ihren Pappenheimer kennende Anna Janneke (Margarita Broich).

Schöne Bilder zu Sägespän-Dialogen

Es gibt keinen obendrauf montierten Countdown in diesem Tatort, keine Ermittlungen gegen den Willen der Vorgesetzten. Und dennoch ist das Drehbuch arg durchkonstruiert - angefangen beim ersten englischen Dialog der US-amerikanischen Familie Fisher, aus dem der deutsche Akzent unüberhörbar über den Fliesenboden des schicken Einfamilienhauses hallt. Und aufgehört bei der Trope "perfekte Familie, hat garantiert was zu verbergen".

Dafür sind die Bilder aus der Kamera von Johannes Monteux Magnum-Fotobandmaterial: Margarita Broich vor der smaragdgrünen Wand mit Emilys Vater Raymond (Kai Scheve); eine Tochter, die sich surreal nah an das Gesicht ihrer Mutter heranschiebt, als diese sich schminkt, zwei Jugendliche in der Schule, im Hintergrund ein Fenster mit diesen aufgepappten Vogelschablonen, als sie über den Tod sprechen. Überhaupt Vogelschablonen, Warnung für noch lebende Tiere und gleichzeitig Erinnerung an die vor ihnen verendeten, gibt es was Trostloseres?

Und auch gespielt ist dieser Tatort bemerkenswert, trotz Sägespänsätzen wie: "Emily, wir lieben dich" und "Fuck you very much." Emilia Bernsdorf als Emily Fisher ist umwerfend, verkörpert wunderbar selbstverständlich diese ganz spezifisch-17-jährige Zerrissenheit im Allgemeinen und die Überforderung angesichts der eigenen Familiengeschichte im Speziellen. Wenn von diesem Tatort etwas in Erinnerung bleibt, dann die Szene, in der die normale Genervtheit einer Tochter von der eigenen Mutter zu einem anderen Gefühl wird - blanker Angst.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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