Süddeutsche Zeitung

Stockfotografie:Heile Familie auf Abruf

Lesezeit: 2 min

Dass FDP und NPD denselben Videoclip in ihren Werbespots benutzen, ist für alle Beteiligten peinlich. Nicht so für die Agenturen, die solches Video- und Fotomaterial anbieten. Was für andere eine Panne ist, ist ihr Geschäftsmodell.

Von Johannes Spengler

Wetten, dass Sie das Bild oben schon gesehen haben? Vielleicht können Sie sich nicht daran erinnern, begegnet ist es Ihnen aber bestimmt schon mal. Immerhin wurde es bereits mehr als 11.600 mal verwendet; für Plakate, Flyer, Internetseiten, Prospekte, Zeitungen oder Magazine. Weil es unaufdringlich ist und trotzdem nicht unscheinbar, weil es ins Auge springt, aber nicht im Gedächtnis bleibt.

Für die Microstock-Agentur Fotolia, die solche Bilder vertreibt, ist die glückliche Familie momentan der Bestseller. Das Foto lässt sich vielfältig verwenden, ob es nun für einen Paartherapeuten oder für eine Werbung im Supermarkt ist. Und genau darum geht es: das Angebot möglichst breit zu fächern. Das Wort Stock bedeutet Vorrat und Agenturen wie Fotolia, Shutterstock oder iStockphoto verfügen über einen gewaltigen Vorrat an Bildern (23 Millionen etwa bei Fotolia), mit denen sich vielfältige Situationen illustrieren lassen, vom Ausflug ans Meer bis hin zum Abschluss eines Mietvertrags.

Kein Fehler, sondern das System

Das Konzept der Microstock-Agenturen nennt sich Royalty-Free. Das heißt, dass die betreffenden Bilder von dem Kunden nicht exklusiv erworben werden können. Fotos, die so lizenziert werden, bleiben im Umlauf, sie werden immer und immer wieder verkauft.

Dieses Konzept führt allerdings dazu, dass Fotos möglicherweise bereits in einem Zusammenhang aufgetaucht sein können, der für den Kunden eher peinlich ist. Die W erbespots von FDP und NPD, in denen dieselbe radelnde Familie gezeigt wird, sind nur das aktuellste Beispiel dafür. Einen Schutz davor gibt es nicht. Die Wiederverwendung ist das System, nicht der Fehler, erklärt Murat Erimel, Marketingdirektor bei Fotolia. So verdienen sowohl Agentur als auch Fotograf mit jedem Download. Es liege in der Verantwortung des Kunden, zu prüfen, ob das Material bereits in einem anderen, womöglich unerwünschten Kontext verwendet wurde.

In einem Statement gegenüber Süddeutsche.de beruft sich auch die Agentur Getty Images, von der das Videomaterial aus den FDP- und NPD-Spots stammt, auf das Royalty-Free-Konzept. Das Material sei eben nicht exklusiv und könne von verschiedenen Kunden wiederverwendet werden.

Anruf vom Kondomhersteller

Doch wie fühlt es sich für die Models an, wenn ihr eigenes Gesicht plötzlich in einem ungeahnten Kontext erscheint? Gibt es eine Möglichkeit, zu kontrollieren, wo die Bilder später erscheinen? Auch dafür fühlen sich die Agenturen nicht verantwortlich und verweisen stattdessen auf den Fotografen. Die Bildagenturen sehen sich lediglich als Plattform, die den Fotografen eine Infrastruktur bereitstellt, um ihr Produkt an den Kunden zu bringen.

Fotografen wie die ehemalige Miss Germany Diana Drubig, die inzwischen Bilder für Fotolia produziert, müssen deshalb die Verwendung der Bilder mit ihrem Modell absprechen. Denn in den meisten Fällen tritt das Modell die Nutzungsrechte vollständig an den Fotografen ab, der die Bilder dann bei den Agenturen anbietet. Im Zweifelsfall kann das Modell dann noch klagen. Laut Diana Drubig, die seit 2008 selbst Stockfotos produziert, kommen viele Kunden im Vorfeld aber noch einmal auf sie zu, um die Verwendung der Bilder abzuklären. Der Kondomhersteller Ritex zum Beispiel habe sie vorher kontaktiert, um mögliche Bedenken zu besprechen.

Hätte sich die FDP also mit der NPD in Verbindung setzen sollen, um abzuklären, wer welches Bild benutzen darf? Ein eher unwahrscheinliches Szenario. Im Internet gibt es allerdings einen guten Tipp, um solche Peinlichkeiten in Zukunft zu vermeiden: Nicht immer das erstbeste Bild benutzen. Bei einer Auswahl von mehreren Millionen sollte das eigentlich möglich sein.

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