Süddeutsche Zeitung

Skandal-Artikel:Nüchtern gesehen

Stimmt die Vergewaltigungs-Geschichte, die der US-"Rolling Stone" im November abdruckte? Jetzt hat sich die Polizei zu dem Fall geäußert.

Von Willi Winkler

Studentenverbindungen an den besseren amerikanischen Universitäten geben sich gern Namen aus dem griechischen Alphabet, heißen also zum Beispiel Beta Kappa Phi und sind auch eigen, wenn es um die Aufnahme neuer Mitglieder geht. Auf dem Campus trifft man sich in einem holzdunklen Gebäude, das oft "Rathaus" heißt, was nicht nur deutsch klingen soll, sondern mit der erste Silbe eine Bereitschaft zur zumindest temporären Verwahrlosung andeutet.

Bei der Verbindung Phi Kappa Psi soll es zu einer Massenvergewaltigung gekommen sein. Eine Studentin, die den Tarnnamen "Jackie" erhielt, erzählte dem Rolling Stone, sie sei bei einer Party von Phi Kappa Psi vor zweieinhalb Jahren mehrfach brutal vergewaltigt worden. Das Magazin druckte die Geschichte im vergangenen November, ohne die Beschuldigten richtig anzuhören. Die Story wirkte glaubwürdig wegen der schauerlichen Details, die "Jackie" präsentierte. Sie war zugleich spektakulär, weil damit eine der elitären Studentenverbindung angegriffen wurde und das Ganze eine der ehrwürdigsten Hochschulen des Landes betraf, die von Thomas Jefferson gegründete University of Virginia.

Bald jedoch kamen Zweifel auf. Die Washington Post begann mit Gegen-Recherchen, und diesen Montag hat die Polizei von Charlottesville einen Bericht vorgelegt, wonach sich "Jackies" Behauptungen nicht belegen ließen. Die Verbindung erwägt eine Klage, die Universität hat einem Bericht der New York Times zufolge für alle Fälle verordnet, dass bei künftigen Partys mindestens drei Teilnehmer nüchtern bleiben müssten.

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Quelle:
SZ vom 25.03.2015
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