Süddeutsche Zeitung

Serien:Der Teufel ist auch nur ein Kerl

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Nach dem Kino beschwören zunehmend auch Abodienste in Neuauflagen von "Sabrina", "Charmed" oder "Buffy" den Zauber dunkler Magie. Dabei geht es nur noch selten um Gruseleffekte.

Von Benedikt Frank

Das Buch ist zwar seit Jahrhunderten verschollen, aber für Diana Bishop taucht es wieder auf. Als die junge Historikerin es im Lesesaal einer Bibliothek in Oxford öffnet, tanzen plötzlich die Buchstaben durch die Luft. Entsetzt schlägt sie es zu. Diana Bishop ist eine Hexe, die versucht, ihre magischen Kräfte zu unterdrücken. Das verwunschene Buch wollte ausgerechnet von ihr gefunden werden.

Die Serie A Discovery of Witches ist eine von vielen neueren Produktionen, die sich großzügig okkulter Motive bedienen. Die erste Staffel von True Detective handelte etwa von einem mysteriösen Voodoo-Kult. In der Netflix-Neuauflage der Neunzigerjahre-Serie Sabrina sind die Hexen nicht mehr nette Nachbarinnen, sondern richtige Teufelsanbeterinnen. Auch die Hexen von Charmed wurden neu aufgelegt, ein Reboot von Buffy, der Vampirjägerin mit magischer Unterstützung, ist in Arbeit. Eine Ausnahme ist die CBS-Serie Strange Angel, da sie vom Okkultismus nicht in einer übersinnlichen Fantasywelt erzählt, sondern mittels der Biografie des realen Raketenwissenschaftlers Jack Parsons. Der hatte sich Ende der Dreißigerjahre dem schillernden Erfinder des modernen Okkultismus, Aleister Crowley, angeschlossen, der sich selbst als den Antichristen bezeichnete und in seinen Schriften die Kräfte sexueller Magie beschwor.

Horrorfilme gab es schon immer, neu ist, dass es nun auch in Fernsehserien bei Abodiensten mitunter genauso morbide zugeht wie einst in der Erwachsenenabteilung der Videothek. Eine gute Portion dunkle Magie ist für die Macher ein einfacher Weg, ihrem Produkt etwas Geheimnisvolles zu verleihen und die Radikalität zu behaupten, die das Publikum verlangt. In A Discovery of Witches verliebt sich Diana Bishop etwa in einen Vampir, seine Art ist Erzfeind der Hexen - das alte Romeo-und-Julia-Rezept, neu gewürzt mit dem ungeheuerlichen Geheimnis um das Zauberbuch. Okkulte Symbolik sorgt mindestens für eine ungewöhnliche Optik. Im besten Fall lässt sich mit ihr provozieren, die Rockmusik hat es mit Sympathy for the Devil und Black Sabbath vorgemacht.

Nur ist es aber auch schon Jahrzehnte her, dass es, um Bürgerschreck zu sein, genügte, Heavy-Metal-Platten zu besitzen. Als Erkennungszeichen eines selbst gewählten, rebellischen Außenseitertums sind satanische Symbole wie umgedrehte Kreuze und Pentagramme in einer relativ säkularen Gesellschaft weitgehend entzaubert, zumindest solange man sie sich nicht ins Gesicht tätowiert und als Bankberater arbeiten will. Die Serien müssen sich daher erzählerisch etwas Neues einfallen lassen, um nicht zu langweilen.

Bezeichnete der Voodoo-Kult in True Detective noch nach alter Horrorschule das Böse, ist die Satanskirche in Chilling Adventures of Sabrina ein genauso spießiger Verein wie ihr evangelikaler Konterpart. Sabrina kämpft gegen jede patriarchale Herrschaft, auch die des Teufels, der eben auch nur ein Kerl ist. Bereits in Buffy war die Hexe Willow Figur gewordene weibliche Selbstbestimmung, führte sie doch eine der ersten lesbischen Beziehungen im US-Fernsehen. In A Discovery of Witches ist eine feministische Lesart allenfalls versteckt angelegt. Wer unbedingt will, kann Diana Bishops Unterdrückung ihres magischen Talents so verstehen, dass sie sich dümmer stellt, um nicht bedrohlich zu wirken oder sinnbildlich eine weibliche Eigenschaft zugunsten ihrer akademischen Karriere verleugnet. Die Serie bemüht sich aber nicht, solche Interpretationen nahezulegen.

Die Hexe zur Heldin zu machen und mit dieser Figur von Feminismus als Gegenbewegung zur Frauenfeindlichkeit zu erzählen, liegt angesichts der realen historischen Hexenverbrennungen nahe. Strange Angel fehlt dagegen in der ersten Staffel nicht nur das Übersinnliche, sondern zunächst auch starke Frauenfiguren. Während Jack Parsons an Crowleys sexuell aufgeladenen Ritualen teilnimmt, sitzt seine Ehefrau zu Hause und sorgt sich um sein Seelenheil. Aber schließlich geht es in der Serie nicht um Fantasiewesen, sondern um eine reale Biografie. Parsons' Kampf ist der eines Arbeiters während der Großen Depression. Obwohl es ihm Klasse, Einkommen und Abschluss nicht erlauben, schafft er es ans elitäre California Institute of Technology. Seinen Traum von der Raketenwissenschaft kann er verwirklichen, weil ihn Crowleys Diktum "Tu, was du willst, soll sein das ganze Gesetz" mit der nötigen Arroganz ausstattet, die Regeln des akademischen Betriebs zu ignorieren. Die Stoßrichtung ist die gleiche wie bei den vielen Hexenserien: Wenn Serien heute Okkultismus thematisieren, dann nicht mehr nur, um Gruselstimmung zu schaffen, sondern um Geschichten über nonkonforme Heldinnen und Helden zu erzählen.

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Quelle:
SZ vom 27.04.2019
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