Süddeutsche Zeitung

Debatte um Rundfunkbeitrag:Jetzt kommt alles auf den Tisch

Lesezeit: 3 min

Ende des Jahres muss die neue Rundfunkfinanzierung von den Landesparlamenten gebilligt werden. In Sachsen-Anhalt gibt es nun auch von den Linken Widerstand: wegen der Intendantengehälter.

Von Anika Blatz

Die Debatte über die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags nimmt eine neue Wendung. Jetzt stehen die Intendantengehälter im Fokus. Und wieder kommen die kritischen Stimmen aus Sachsen-Anhalt, dem Land, in dem die Zustimmung zur Beitragserhöhung am stärksten wackelt: "Stand jetzt ist, dass wir den Staatsvertrag ablehnen", sagt Stefan Gebhardt, parlamentarischer Geschäftsführer und Medienpolitiker der Linken, die neben der AfD- und Teilen der CDU-Fraktion angekündigt hat, den Beitrag zu blockieren. Zuvor hatte das Branchenmagazin Journalist darüber berichtet.

Ende des Jahres muss der neue Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag von allen Landesparlamenten gebilligt werden, damit die Erhöhung kommen kann - voraussichtlich Mitte Dezember werden die Abgeordneten von Sachsen-Anhalt entscheiden. Es könnte sein, dass sie den Vertrag scheitern lassen. "Es kann schiefgehen - und dann gehen wir nach Karlsruhe", sagte RBB-Intendantin Patricia Schlesinger in einem Interview. Als die Landesparlamente zuletzt eine von der Kef, der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, als bedarfsgerecht anerkannte Erhöhung blockierten, klagten die Sender am Bundesverfassungsgericht und bekamen 2007 recht.

Zwar stellt die CDU mit SPD und Grünen die Regierungsmehrheit, doch auch innerhalb der Partei herrscht Skepsis. "Für die geplante Beitragserhöhung gibt es bei uns keine Mehrheit", erklärte der medienpolitische Sprecher der CDU in Sachsen-Anhalt, Markus Kurze, vergangene Woche in einer Landtagssitzung. Mit dem derzeitigen Nein der Linken wird die Ratifizierung des Staatsvertrags also immer unwahrscheinlicher. Man habe bestimmte Erwartungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sagt Gebhardt: "Wir wollen mindestens einen Stopp bei den Intendantengehältern. Wie sollen wir den Wählern vermitteln, dass im Programm gekürzt wird, die Intendantengehälter aber steigen?" Offenbar stört man sich vor allem am Gehalt des WDR-Intendanten und derzeitigen ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow. Dieser erhält rund 400 000 Euro im Jahr und verdient damit am meisten, SR-Chef Thomas Kleist liegt mit 245 000 Euro am unteren Ende, die anderen Fernsehintendanten bewegen sich dazwischen.

Das sei unverhältnismäßig, findet man bei der Linken. Auch Kurze tut sich da schwer: "Wie soll ich jemandem erklären, dass so mancher Intendant fast doppelt so viel wie der Bundespräsident verdient?"

Um 86 Cent soll der Beitrag ab 2021 steigen, von derzeit 17,50 Euro auf 18,36 Euro pro Monat - die erste Erhöhung seit zwölf Jahren. Eine Anhebung unter der Inflationsrate. Die Gehälter der Intendanten: seit Jahren transparent. Kurz vor der Abstimmung über die Beitragserhöhung wird alles Thema, alles, was den Politikern im Osten am öffentlich-rechtlichen Rundfunk seit Jahren schon stinkt: zu groß, zu teuer, zu wenig Berücksichtigung der ostdeutschen Länder in den Strukturen des ARD-Senderverbunds, und eben die Gehälter.

Bereits im Frühjahr gab es Widerstand aus Sachsen-Anhalt, Sachsen, und Thüringen. Reiner Haseloff (CDU), Sachsen-Anhalts Ministerpräsident, enthielt sich im März bei der Abstimmung im Kreis der Länderchefs gar, weil die Erhöhung den Abgeordneten nicht vermittelbar sei.

Auch danach kehrte keine Ruhe ein. Der Generalsekretär der CDU in Sachsen-Anhalt Sven Schulze plädierte wegen eines Satirevideos des öffentlich-rechtlichen Jugendangebots Funk dafür, die Erhöhung des Beitrags zu stoppen. Ihm und anderen Unionspolitikern hatte der Inhalt nicht gepasst, es ging um Racial Profiling und Rassismus bei der Polizei. Wieder mussten Rundfunkfreiheit und Staatsferne angeführt werden, nach denen politische Forderungen nicht mit der Beitragserhöhung verknüpft werden dürfen.

Gleiches gilt für die Höhe der Gehälter. Die Zustimmung zur Beitragserhöhung dürfe nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Intendanten eine Bereitschaft zum Gehaltsverzicht zeigten, sagt der Mainzer Medienrechtler Dieter Dörr. Linken-Politiker Gebhardt sagt, das sei klar: "Aber wir sind gerade dabei, eine Debatte zu führen - und das geht." Der Grat zwischen zulässiger Debatte und unzulässiger Verknüpfung ist jedoch schmal und werde überschritten, "sobald auch nur anklingt, dass man die Zustimmung von einer Forderung abhängig macht", sagt Dörr. Darauf verweisen auf Anfrage auch die ARD-Anstalten: Es sei legitim, über die Gehälter zu diskutieren, die Entscheidung über den Rundfunkbeitrag dürfe allerdings nicht von medienpolitischen oder programmlichen Erwägungen abhängig gemacht werden. Beim ZDF heißt es, man habe ausgewogene und leistungsgerechte Vergütungsstrukturen.

Und ein weiteres Problem stellt sich: Die Beitragserhöhung, die durch eine Empfehlung der unabhängigen Kef zustande kommt, hat mit der Höhe der Intendantengehälter nichts zu tun. Die Kef legt lediglich fest, wie viel Geld die Sender zur Deckung ihres Programm- und Personalbedarfs benötigen. Was die Chefs verdienen, wird davon unabhängig in den Aufsichtsgremien der jeweiligen Sender ausgehandelt. In ihnen sind verschiedene gesellschaftliche Gruppen vertreten, auch Parteien - sie könnten Kritik und Forderungen also auch dort einbringen, sagt Dörr.

Linken-Politiker Gebhardt hingegen geht es "um ein Signal", sagt er: "dass die Intendanten bei der nächsten Tarifrunde Verzicht üben, nicht einfach alles so mitnehmen, nur weil es geht." Lobend erwähnt wird in Sachsen-Anhalt immer wieder MDR-Intendantin Karola Wille. Diese verzichtet seit Jahren freiwillig auf eine Gehaltsanhebung. Aber auch beim SR hat man bereits 2015 entschieden, die Gehälter der Geschäftsleitung im Rahmen der regelmäßigen Tarifrunden nicht zu erhöhen. Und BR-Intendant Ulrich Wilhelm verzichtet seit seinem Amtsantritt 2011 auf Bezüge in Aufsichtsratsgremien von Tochterfirmen und Beteiligungen des BR.

Wie man am Ende abstimmen wird? "Den Ausgang wollen wir uns bis zum Ende offenlassen, und wir sind auch immer noch offen", sagt Gebhardt. Man sei in Gesprächen mit den Intendanten. Im Oktober soll es zu einem Treffen kommen.

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