Süddeutsche Zeitung

RTL-Event für Helfer:Atze Schröder ist nicht Robbie Williams

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Bei der Open-Air-Show "RTL sagt Danke" hört man wenig von den so bejubelten "Heldinnen und Helden" der Coronakrise. Dafür umso lauter das Quietschen verrosteter Comedians.

Von Marlene Knobloch

Es gibt viele Arten, "Danke" zu sagen. Postkarten, Blumen, ein Abendessen mit selbstgemachten Ziegenkäse-Ravioli auf Kürbispüree. RTL sagt "Danke" mit Atze Schröder. Der Sender veranstaltete für die "Alltagsheldinnen und -helden" der Corona-Pandemie - darunter Kassierer, Lehrerinnen, Pfleger, Ärztinnen, Psychologen - ein kostenloses Open-Air. Dafür holte man die "Crème de la Crème der deutschen Comedyszene" (RTL) auf die Bühne. Oder genauer gesagt: Mario Barth, Sascha Grammel, Oliver Pocher, Ilka Bessin oder Mirja Boes. Aber so viel die Crème auch "Danke Essen!" brüllte - um die 7000 (immerhin geimpften) Menschen am Baldeneysee wurde es stiller und stiller. Dafür wurde die Frage, ob man sich hier an Sympathie bereichern will, lauter und lauter.

Erstmal ist alles "geil". Mario Barth rennt die Rampe zum Publikum hoch und kann gar nicht fassen, wie "geil" es ist, wieder vor richtigen Menschen aufzutreten. "NUUUDELN" grölt er, als er von seinem Hamstereinkauf spricht, eine Erzählung, deren großes Finale darin besteht, dass seine Freundin währenddessen im Nagelstudio war. Ohne jede zweite Ebene schließt sich ein Kapitel aus Barths Sexleben an. Es litt wohl unter der Pandemie.

Zugegeben, Gags nachzuerzählen, ist nie fair. Aber angesichts der Pointenarmut des Abends fragt man sich doch, was die Comedians in den vergangenen eineinhalb Jahren gemacht haben. Die Ehrlich Brothers faseln Verse zu einem Kunststück, das ein simples Bilderpuzzle ist: "In unseren vier Wänden / sollte alles nun enden / mit unseren desinfizierten Händen". Paul Panzer kramt auch in der Frauen-kommen-von-der-Venus-Kiste und holt dabei seine Frau Hilde und ihre Algenmasken raus.

Es hätte so schön sein können: aus der Ruhrpott-Kehle lachen, die "Beach Bar" plündern

Oliver Pochers Auftritt besteht daraus, dass er ein iPad in die Kamera hält und halbwitzige Internetclips zeigt - Dieter Bohlen, der auf TikTok mit Regenschirm im Garten tanzt, zum Beispiel. So sehr alle den Anwesenden danken und beteuern, wie wichtig deren Arbeit sei: Wer beschenkt hier eigentlich wen?

Dabei hätte es schön sein können nach so einer Zeit, an so einem Abend, in so einer Gegend, aus der Ruhrpott-Kehle zu lachen, die "Beach Bar" zu plündern, sich Anekdoten zu erzählen und ein paar unreife Pointen zum Besten zu geben. Aber der Sender versagt nicht nur dabei, die Übertragung technisch zu koordinieren, er schafft es auch nicht, den Verdacht der Heuchelei zu umschiffen, die so ein Event mit sich bringt. Und zeigt statt einer ehrlichen Geste Werbung, oberflächliche Interviews und Emotionsheischerei.

Im Publikum ist die Moderatorin Lola Weippert, die, so denkt man anfangs, die "Heldinnen und Helden" zu Wort kommen lässt. Einmal darf der Leiter einer Intensivstation sagen, dass sie "intensive Zeiten" hinter sich hätten. Er bleibt fast der einzige Zeuge. Stattdessen wird die Frau interviewt, die Atze Schröders Hausanschluss verlegt hat. Die Internet-Zauberfrau, eine bodenständige Person, freut sich zwar, dass man ihr zu Ehren Atze Schröder von der Bühne runterholt, aber Atze Schröder ist nicht Robbie Williams und die Frau zum Leiden der Moderatorin nicht nah am Wasser gebaut. Da stehen die zwei, Arm in Arm, lachen verlegen, während Moderatorin Weippert angesichts des epochalen Moments im Leben der Anschlussfrau auf die Tränendrüse drischt, die frecherweise nicht anspringen will.

"Pocher! Wo bist du?"

Als gegen Ende Oliver Pocher durchs Publikum streift und ihm ein Chemie- und Physiklehrer davon erzählt, wie schwierig Experimente via Homeschooling seien, die Art der leichten, witzigen Anekdote also, der Comic Relief, auf den man den ganzen Abend wartete, brüllt seine sonst zuckersüß lächelnde Kollegin Weippert durch das wohl versehentlich hörbare Headset: "Pocher! Wo bist du?" Sie würgt dann den Lehrer ab, um - "Wuhu" - zu den Ehrlich Brothers zu schalten, die unter Feuerfontänen schnell Eisen verbiegen müssen.

Als die Kamera durchs Publikum schwenkt, ähneln manche Gesichter denen der aus der Pandemie bekannten Pappaufstellern. Am Schluss bedankt sich der Hauptmoderator Daniel Hartwich nochmal bei den Heldinnen und Helden, dass sie "so lange durchgehalten" haben. Ob er damit die vergangenen eineinhalb Jahre oder die eben verlebten vier Stunden meint, ist unklar.

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