Süddeutsche Zeitung

Renée Zellweger:"Schauspielerei ist  nicht mein Leben"

Lesezeit: 3 min

Als Tollpatsch wurde sie berühmt, nun spielt sie eine harte Geschäftsfrau: Renée Zellweger über ihre Paraderolle und warum sie gut ohne Filme leben kann.

Von Patrick Heidmann

Kaum wiederzuerkennen: In der Serie What/If, die derzeit bei Netflix zu sehen ist, spielt Renée Zellweger eine eiskalte, millionenschwere Geschäftsfrau. Vom bisherigen Image, das von der Tollpatschigkeit als Bridget Jones bestimmt wurde, könnte diese Rolle nicht weiter weg sein. Ein Anruf bei der Oscar-Gewinnerin.

SZ: Frau Zellweger, als manipulative Femme fatale haben wir Sie noch nie gesehen. Hat sich das fremd angefühlt?

Renée Zellweger: Im Grunde muss ich für alle meine Rollen meine Persönlichkeit hinter mir lassen. Das ist schließlich der Job eines Schauspielers. Oder im Gegenteil in mir selbst etwas finden, von dem ich nicht gedacht hätte, dass es in mir steckt. Also vielleicht habe ich tief in mir sogar ein wenig von dieser eiskalten Anne Montgomery. Allerdings kann ich bestätigen, dass ihr Blick auf die Welt und ihr Umgang mit Menschen nicht weiter von meinem eigenen entfernt sein könnten.

Ist Ihnen die Paraderolle Bridget Jones, die Sie in drei Filmen spielten, lieber?

Auch zwischen Bridget und mir gab es jede Menge Unterschiede, glauben Sie mir. Aber insgesamt ist sie wohl eine Figur, zu der die meisten Zuschauerinnen schnell einen Bezug herstellen können. Ich würde sagen, dass es vor allem ihre Fehler waren, durch die wir uns zu ihr hingezogen fühlten. Dass Bridget nicht perfekt war, dass sie unbeholfen sein konnte und ihr peinliche Dinge passierten - damit konnten sich scheinbar alle identifizieren.

Das Motto Ihrer Figur in "What/If" ist: Wer etwas erreichen will, muss knallhart auch die schwierigsten Entscheidungen treffen. Wie gut sind Sie darin?

Ich würde nicht das Wort knallhart benutzen, aber Entscheidungen treffen kann ich ganz gut. Aus anderen Motivationen heraus allerdings. Beziehungsweise sind Entscheidungen für mich nicht in ihrem Sinne schwierig, denn sobald ich merke, dass mir eine Sache moralisch nicht behagt, muss ich nicht lange nachdenken oder mich gar darüber hinwegsetzen. Rollen und Projekte abzulehnen, war deswegen für mich immer schon ein Kinderspiel. Ich finde es nicht schwer, zu einem großen Scheck Nein zu sagen, wenn mein Bauchgefühl nicht stimmt. Ihn anzunehmen und damit leben zu müssen, das wäre viel schwieriger für mich.

Lieber arbeiten Sie gar nicht, als sich auf faule Kompromisse einzulassen?

Definitiv. Habe ich ja auch schon getan. Ein paar Jahre nicht vor der Kamera zu stehen, fiel mir nicht schwer. Die Schauspielerei ist meine Arbeit, aber nicht mein Leben. Ich muss ihr nicht alles unterordnen, und für niemanden geht die Welt unter, wenn ich mal eine Pause einlege.

Aktuell arbeiten Sie so viel wie lange nicht, in diesem Jahr startet noch ein Film über die Schauspielerin Judy Garland . Sind die Zeiten vorbei, in denen Frauen ab einem gewissen Alter keine Rollen mehr finden?

Es hat sich zumindest einiges zum Positiven verändert. Was wohl auch unvermeidbar war, schon allein, weil dank der Streaming-Plattformen der Markt und das Angebot insgesamt sehr viel größer geworden sind. Es gibt mehr Raum, um auch mal Neues auszuprobieren. Es muss nicht immer nur der kleinste gemeinsame Nenner sein. Und siehe da: Im Publikum sitzen extrem viele Frauen - und wir warten darauf, Geschichten und Figuren zu sehen, mit denen wir uns identifizieren können.

Dass man als Frau in der Öffentlichkeit immer wieder auf Äußerlichkeiten reduziert wird - daran hat sich jedoch noch nichts geändert, wie auch Sie in der Vergangenheit immer wieder erfahren mussten. 2014 wurde exzessiv darüber spekuliert, ob Sie eine Schönheits-OP hinter sich haben ...

Ich gebe mir große Mühe, so etwas nicht so sehr an mich heranzulassen. Diese Geschichten, die geschrieben werden, um Auflagen in die Höhe zu treiben. Furchtbar und respektlos! So viel davon hat damit zu tun, jemanden kleinzumachen. Aber wenn ich kann, ignoriere ich so etwas. Ich werde nie verstehen, warum ich mir die Meinung von wildfremden Menschen zu Herzen nehmen oder mein Leben danach ausrichten sollte.

Ihre ersten Rollen sind inzwischen mehr als 25 Jahre her. Was sind die wichtigsten Lektionen, die Sie gelernt haben?

Da müsste ich jetzt spontan eine Antwort erfinden, um etwas Kluges sagen zu können. In solchen Kategorien denke ich eigentlich nie über mein Leben nach. Aber vielleicht ist genau das eine Antwort auf Ihre Frage: Ich habe gelernt, dass es auch okay ist, keine Antwort zu haben. Ich muss nicht alle Erwartungshaltungen immer auch bedienen.

Würden Sie etwas anders machen?

Ich habe meine Arbeit und alles, was damit einhergeht, immer extrem ernst genommen. Einfach weil ich so unglaublich dankbar war, mit der Schauspielerei meinen Lebensunterhalt verdienen zu dürfen. Deswegen hatte ich immer das Gefühl, bloß keinen Menschen, mit dem ich zusammenarbeite, enttäuschen zu dürfen. Immer wieder bin ich ins Flugzeug gesprungen und um die halbe Welt geflogen, weil ich dachte, es sei meine Pflicht. Und dass das wichtiger ist als Geburtstage, Hochzeiten und andere Familienangelegenheiten. Heute mache ich das nicht mehr so bedingungslos - und wünschte mir, dass ich früher zu der Erkenntnis gekommen wäre.

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Quelle:
SZ vom 01.06.2019
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