Süddeutsche Zeitung

Presserecht:Druck von oben

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Die Funke Mediengruppe nimmt Dokumente über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr aus dem Netz - die Bundesregierung hatte die Zwangsvollstreckung angedroht. Dabei geht es nicht etwa um Geheimhaltung.

Von Karoline Meta Beisel

"Wir sind online" hatten die Rechercheure des Onlineportals Der Westen im Herbst 2012 bei der Veröffentlichung der "Afghanistan-Papiere" stolz verkündet: "Tausende geheime Seiten über einen Krieg, den die deutschen Soldaten nicht mehr gewinnen können." Danach folgte ein langer Rechtsstreit mit der Bundesregierung, den Der Westen nur noch mithilfe einer Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof gewinnen kann. Darum verkündete die Funke Mediengruppe, zu der Der Westen gehört, am Mittwoch: Wir sind offline. Genauer: "Funke stellt Afghanistan-Papiere offline."

In dem Streit, das ist das Kuriosum an der Sache, hatte sich die Regierung nicht etwa auf einen Bruch der Geheimhaltung berufen - die Papiere waren mit der niedrigsten Stufe versehen, sie dienten der Information des Verteidigungsausschusses. Stattdessen argumentierte das Verteidigungsministerium mit dem Urheberrecht. Die Juristen des Portals hatten dagegen gehalten, die Lageberichte der Soldaten seien überhaupt keine "Werke" im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Aber das Kölner Landgericht und im Juni in zweiter Instanz auch das Oberlandesgericht hatten der Regierung recht gegeben. Um einer Zwangsvollstreckung zu entgehen, habe man die Papiere jetzt von den Servern entfernt, heißt es bei Funke.

Ansgar Koreng, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in Berlin, sieht die Gerichtsurteile äußerst kritisch. Das Oberlandesgericht verweist in der Abwägung etwa auch auf das Geheimhaltungsinteresse des Verteidigungsministeriums. "Für eine urheberrechtliche Betrachtung spielt dieses Argument aber überhaupt keine Rolle", sagt Koreng. "Hier wird ganz offensichtlich das Urheberrecht zweckentfremdet, um Berichterstattung zu verhindern."

Bei Funke hofft man, dass der Bundesgerichtshof die Sache doch noch zur Entscheidung annimmt; das Oberlandesgericht hatte die Revision ausgeschlossen. Bis dahin bleiben die Papiere offline, jedenfalls ein bisschen: In Googles Cache und in Online-Archiven sind die Dokumente weiter einsehbar.

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Quelle:
SZ vom 06.08.2015
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