Süddeutsche Zeitung

Polit-Thriller:Heikle Sache

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In einer vieldiskutierten BBC-Serie spielt Hugh Grant den Politiker Jeremy Thorpe, der in den Siebzigern seinen Liebhaber ermorden lassen wollte.

Von Cathrin Kahlweit

Was die Briten schon im Juni 2018 zu sehen bekamen, kommt nun auch ins deutsche Fernsehen. Allerdings dürfte die gut gemachte und sensationell gespielte Miniserie A Very English Scandal beim deutschen Publikum vor allem deshalb auf Zustimmung stoßen, weil mit Hugh Grant und Ben Whishaw zwei hervorragende Schauspieler zu sehen sind. Der erschreckend reale Polizei- und Justizskandal, der hinter der BBC-Serie steht, ist hingegen vor allem Teil eines sehr britischen Politikdramas.

Der echte Skandal war daher im Königreich vor Jahresfrist Anlass für eine intensive Debatte über den Umgang mit Homosexualität in der Gesellschaft. Und darüber, ob ein Gericht die erdrückende Beweislage ignoriert hatte, um einen wichtigen Politiker zu schützen. Das allerdings sind Fragen, die in Deutschland ebenso relevant sind wie jenseits des Kanals, weshalb die Geschichte des liberalen Parteichefs Jeremy Thorpe, der von seinem Liebhaber erpresst wurde und diesen deshalb ermorden lassen wollte, doppelt spannend ist. Grant spielt in A Very English Scandal einen homosexuellen Politiker, der eine Affäre mit dem Stallburschen Norman Scott hat und diesen, weil er psychisch labil ist, verlässt. Der Liebhaber geht aus Rache zur Polizei, Homosexualität war in den 60er- und 70er-Jahren, in denen der Dreiteiler spielt, verboten. Doch die unternimmt nichts. Scott, gespielt von Ben Whishaw, erpresst Thorpe daraufhin, wird bezahlt, bleibt aber eine Bedrohung für die Karriere des Parteichefs und Abgeordneten. Thorpe beschließt, Scott beseitigen zu lassen.

Die Doku zu den realen Vorgängen hat die BBC 40 Jahre lang nicht gesendet

Schließlich kommt es zum Prozess. Thorpe wird nicht verurteilt. Seine Karriere ist aber zu Ende, sein Ruf zerstört. Er engagiert sich immer noch in der Politik, aber Reporter sind weiter hinter ihm her, und der Killer, den er angeheuert hatte und der viel gefährliches Wissen mit sich herumträgt, ist eine Zeitbombe. In Großbritannien machte neben der Miniserie eine Doku aus den Siebzigern Schlagzeilen, in der die realen Vorgänge erzählt, belegt, von Zeugen bestätigt worden waren. Die BBC hatte sie 40 Jahre lang nicht gesendet. Erst als die Starbesetzung und die ganze, irre Geschichte erneut aufgerollt und dramatisiert wurden, zeigte der Sender parallel die Dokumentation. Hugh Grant, der sich anfangs für zu alt für die Rolle gehalten hatte, sagte vor der Deutschlandpremiere, er sei zu der Zeit, in der dieser sehr englische Skandal passierte, noch ein Teenager gewesen. Aber er habe das alles damals mit "größtem Vergnügen" verfolgt. Die Sache habe ihn irgendwie "an Monty Python erinnert: ein Typ aus dem Establishment, der vergeblich versucht, seinen heimlichen Liebhaber zu ermorden." Heute dürften Politiker glücklicherweise ungestraft öffentlich schwul sein.

A Very English Scandal, Sony Channel (u.a. über Vodafone, Unitymedia, Amazon Prime).

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Quelle:
SZ vom 19.09.2019
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