Süddeutsche Zeitung

Religion:Das neuste Testament

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Nach dem Grundgesetz hat sich Journalist Oliver Wurm die Bibel vorgenommen und "Das Neue Testament als Magazin" gestaltet: kein religiöser Kitsch, sondern lohnende Lektüre.

Von Christiane Lutz

Der Name Jesus kommt im Neuen Testament 1158-mal vor. Das scheint gar nicht so viel angesichts der Tatsache, dass Jesus ja der Star des Neuen Testaments ist. Im Vergleich: Seine Mutter Maria wird 41-mal genannt, sein Ziehvater Josef nur 14-mal. Erstaunlich auch, dass 5,7 Milliarden Menschen Zugang zur Bibel in ihrer Muttersprache haben, das macht etwa 79 Prozent der Weltbevölkerung aus. Auch das erfährt man bei der Lektüre von "Das Neue Testament als Magazin", das der Magazinmacher Oliver Wurm herausgebracht hat. Es hat mit 350 Seiten den Umfang eines amerikanischen Brautmodenmagazins, ist also mehr Wurfgeschoss als Magazin.

Wurm und sein Team von "Wurm & Volleritsch" haben das Neue Testament in der Einheitsübersetzung grafisch aufgbereitet. Einzelne Zitate sind gefettet hervorgehoben - "Amen, ich sage euch: Einer von euch wird mich ausliefern, einer, der mit mir isst". Farben am Seitenrand sortieren nach den vier Evangelien, Apostelgeschichte, Paulusbriefe und die Offenbarung des Johannes. Ähnlich ist Wurm bei "Das Grundgesetz als Magazin" vorgegangen, das 2018 zum Geburtstag des Grundgesetzes erschien, viel gelobt und in mehreren Auflagen verkauft wurde. So weit, so übersichtlich.

Vor zehn Jahren war die Optik schwarz-weiß und braver als bei dieser neuen Ausgabe

Das Ansinnen der Macher ist es also, gigantische Texte zugänglicher zu machen. Eine Einladung an Menschen, sich ranzutrauen ans Grundgesetz oder eben das Neue Testament. Das hat Wurm vor zehn Jahren übrigens schon einmal gestaltet, damals aber mit Schwarz-Weiß-Optik wesentlich braver als diesmal.

Bebildert ist das neue Heft opulent mit Fotos aus dem Film "Jesus Cries", in dem Regisseurin Brigitte Maria Mayer 2016 Jesus und seine Jünger als zeitgemäße Hipster inszenierte. Der stets leicht entrückt wirkende Sabin Tambrea spielte den Jesus, das Cover zeigt ihn am Kreuz. Das verleiht den Geschichten eine gewisse Gegenwärtigkeit, eine Theatralität auch, aber keinerlei religiösen Kitsch.

Hier geht es nicht um Deutung der Texte, sie sind, wenn man so will, nur durch den Grafikteil am Ende kommentiert. Jedem Kapitel aber ist eine Einleitung vorangestellt zur Entstehungsgeschichte und darüber, was über mögliche Autoren bekannt ist. Der Stil dieser Einleitungen ist leider nicht wirklich niedrigschwellig, sondern setzt bereits Kenntnis des Bibel- und Kirchenvokabulars voraus. Etwas schade, denn mit diesen Einleitungen hätten richtig gute Verständnisrampen gebaut werden können. Das Neue Testament ist ja jenseits der religiösen Bedeutung, die es für Millionen Menschen hat, ein faszinierendes Dokument Menschheitsgeschichte. Zu erfahren, wie die Texte entstanden sind und was die Zerstörung des Tempels in Jerusalems im Jahr 70 damit zu tun hat, ist gewinnbringend. Also ruhig rantrauen, es lohnt sich.

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