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Presse in Österreich:Politischer Schachzug oder skurriler Zufall?

Lesezeit: 2 min

Von Oliver Das Gupta

Zwei Presse-Personalien sorgen derzeit in der österreichischen Medienwelt für Aufregung. Claus Pándi, bislang Innenpolitik-Chef der Kronen Zeitung, leitet künftig die Salzburger Regionalausgabe des mächtigen Boulevardblattes. Und Helmut Brandstätter, Chefredakteur der auflagenstarken Tageszeitung Kurier, fungiert künftig nur noch als Herausgeber - was er seit fünf Jahren zusätzlich ist. Beide haben immer wieder die Regierung des konservativen Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der radikal rechten FPÖ kritisiert (wobei Pándi eher die feine Klinge verwendete und Brandstätter oft den schweren Säbel zur Hand nahm). Nun aber dürften sie als politische Kommentatoren kaum noch eine größere Rolle spielen, fürchten einige in Wien.

Sowohl die Krone als auch der Kurier gehören zum Konzern Mediaprint, der etwa ein Drittel des österreichischen Zeitungsmarktes abdeckt. Die deutsche Funke-Gruppe ist an beiden Zeitungen etwa zur Hälfte beteiligt. Beim Kurier hält Raiffeisen die anderen 50 Prozent; die Lenker des Geldhauses tendieren politisch zur aktuellen Kanzlerpartei.

Beide Personalentscheidungen sind innerhalb weniger Stunden bekannt geworden, was in Österreich schnell die Frage aufwarf: Handelt es sich um einen politischen Schachzug oder um einen skurrilen Zufall? Die Kleine Zeitung sprach mit Blick auf den auch bei Sozialdemokraten durchaus wohl gelittenen Pándi von einem "mittleren Erdbeben" bei der Krone, wo der Online-Chef seine Nähe zu FPÖ-Themen ungeniert zeigt. In den sozialen Netzwerken vermuteten andere Journalisten einen "Rechtsruck", und dass Pándi und Brandstätter "verräumt" worden seien.

Brandstätter sagte selbst in einem Bericht, den der Kurier in eigener Sache publizierte, sein Posten sei eine besondere Vertrauensstellung, "weil der Herausgeber nach unserem Redakteursstatut für die Blattlinie verantwortlich ist". Im Fall des 63-Jährigen wäre die Ablösung als Chefredakteur erklärbar mit sinkender Auflage, wobei die Print-Verluste der Krone im selben Zeitraum ungleich größer waren. Brandstätters Bilanz kann sich durchaus sehen lassen, er sorgte unter anderem dafür, dass die Online-Ausgabe floriert.

Chefredakteurinnen sind auch in Österreich bislang eine Seltenheit

Die ÖVP/FPÖ-Koalition dürfte es mit dem für sie bislang sperrigen Kurier künftig leichter haben. Mit Martina Salomon leitet nun eine Frau das Blatt, die in Kommentaren oft die Regierungspolitik lobt. Die 58-Jährige verwendet mit Blick auf Regierungskritiker mitunter Worte wie "Faschismuskeule". "Grünen Multikulti-Fans" wirft sie vor, dass es ihnen "egal ist, wenn eine Gegend mit hohem Ausländeranteil zur No-go-Zone" werde. Sehr viel anders würde das Strache auch nicht formulieren.

Salomons Berufung ist noch in einer anderen Hinsicht bemerkenswert, denn Chefredakteurinnen sind auch in Österreich bislang eine Seltenheit. Entsprechend "großartig" nannte der von der Regierung nicht gerade heißgeliebte ORF-Anchorman Armin Wolf den neuen Posten von Salomon.

Über Brandstätters Abgang wurde schon vorher gemunkelt. Aber im Fall von Krone-Mann Pándi rätseln alle. Gut möglich, dass er nach mehr als 20 Jahren Innenpolitik einfach etwas Neues machen wollte. Denn ein Rückschritt ist der Salzburger Chefredakteursposten eigentlich nicht, sondern eher ein Schritt zur Seite. Aus dem Regierungslager ist bislang kein Jubel darüber bekannt, dass der 52-jährige Pándi gen Westen zieht. Wer weiß, wer da nachrückt, hieß es aus Koalitionskreisen. Glücklich klang das nicht.

Weit weniger Aufsehen erregte eine dritte Journalisten-Personalie. Wolfgang Sablatnig, der Pressesprecher des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, kehrt als Innenpolitik-Redakteur zur Tiroler Tageszeitung zurück. Von dort war er erst 2016 an das Höchstgericht gewechselt, bekam dann aber offensichtlich Entzugserscheinungen. Der Journalismus habe ihn "nie losgelassen", sagte Sablatnig. Es sind ja auch spannende Zeiten für Medienmenschen, gerade in Österreich.

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