Süddeutsche Zeitung

Fernsehen:Aufsicht prüft Högel-Doku

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Film über Patientenmörder: Medienanstalt NRW leitet nach Beschwerden ein Verfahren gegen RTL-Tochter ein.

Die Landesanstalt für Medien NRW hat ein Verwaltungsverfahren gegen die RTL-Tochter RTL Interactive eingeleitet. Grund sei der Verdacht eines Verstoßes gegen die journalistische Sorgfaltspflicht in Zusammenhang mit Interviews mit dem Patientenmörder Niels Högel, sagte eine Sprecherin am Dienstag in Düsseldorf. Zuvor seien verschiedene Beschwerden bei der Medienanstalt von Zuschauerinnen und Zuschauern sowie der Justizvollzugsanstalt Oldenburg, in der Högel einsitzt, eingegangen.

Der Streamingdienst TV Now des Senders RTL, der inzwischen unter dem Namen RTL plus firmiert, hatte im September eine Dokumentation über den Fall Högel veröffentlicht. Neben vielen weiteren Beteiligten an dem Fall kam darin der verurteilte Mörder selbst zu Wort. Zahlreiche Opfer-Vertreter und Experten reagierten empört auf das Interview. Die JVA Oldenburg warf der Produktionsfirma Filmpool Entertainment vor, das Interview mit Högel ohne Genehmigung geführt zu haben. Fernsehinterviews mit Gefangenen und Filmaufnahmen in einer JVA müssten von der Anstalt und in einem zweiten Schritt vom Niedersächsischen Justizministerium genehmigt werden. Die mediale Aufmerksamkeit verstärke "den Geltungstrieb und die Selbstinszenierung des Gefangenen" und sei "mit der Behandlung von Herrn Högel nicht vereinbar".

Die RTL-Gruppe hatte zur Kritik an der Serie erklärt, der "sensible Umgang mit dem Empfinden der Opfer" habe bei der Erstellung der Doku immer höchste Priorität gehabt. Man habe alle Interviewpartner vorab darüber informiert, dass auch ein O-Ton-Interview mit Högel Bestandteil der Sendung sein werde und deren Einverständnis dafür erhalten. Dass Högel sich auch in der Sendung zu seinen Taten äußere, halte man "aus Gründen der journalistischen Ausgewogenheit für geboten".

Der ehemalige Krankenpfleger Högel war am 6. Juni 2019 vom Oldenburger Landgericht wegen insgesamt 85 Morden im Klinikum Oldenburg und im Krankenhaus Delmenhorst zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er hatte nach Überzeugung des Gerichts seine Patienten mit Medikamenten vergiftet, die zum Herzstillstand führten, um sie anschließend reanimieren zu können.

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