Süddeutsche Zeitung

Journalismus:Auf Twitter ausgesperrt

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Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt, blockiert seinen offiziellen Twitteraccount für einen Korrespondenten der "Jerusalem Post". Der Journalist wiederum will nun Klage einreichen, weil er die Pressefreiheit eingeschränkt sieht.

Von Philipp Bovermann

"Hier privat unterwegs", schreiben Politiker häufig in ihre Twitteraccounts, damit klar ist: Was sie hier veröffentlichen, tun sie nicht in ihrer Amtsfunktion. Niels Annen (SPD) hingegen weist sich auf seinem Account als "Staatsminister im Auswärtigen Amt" aus und verlinkt außerdem den Account des Ministeriums. Trotzdem hat er den israelischen Journalisten Benjamin Weinthal auf Twitter blockiert. Der will nun Klage gegen Annen und das Auswärtige Amt einreichen.

Jemanden auf Twitter zu blockieren kommt einem digitalen Hausverbot gleich: Wenn man von einem Nutzer blockiert worden ist, kann man weder Kontakt zu ihm aufnehmen noch seine Tweets lesen. Er empfinde es als "rechtswidrigen Eingriff in die Presse-, Informations- und Meinungsfreiheit", aus dem Social Media-Informationskanal des Staatsministers ausgeschlossen worden zu sein, so Weinthal. "Twitter-Meldungen von Herrn Annen waren für mich von diesem Zeitpunkt an unzugänglich, mithin die öffentlichen Verlautbarungen des Staatsministers im Auswärtigen Amt."

Dass es dazu kam, führt er auf einen Artikel zurück, den er in der Jerusalem Post veröffentlicht hat. Darin kritisiert er Annens Teilnahme an einer Feier zum vierzigsten Jahrestag der islamischen Revolution im Iran, die in der iranischen Botschaft in Berlin stattfand. Kurz darauf stellte er fest, dass Annen ihn blockiert hatte. Weinthals Anwalt schickte dem Staatsminister eine Abmahnung, woraufhin dieser die Blockierung kommentarlos wieder aufhob. Auch an das Auswärtige Amt wandte sich Annen, erhielt aber nur ein Schreiben, es sei in dieser Sache nicht zuständig: "Ihre Frage zu Twitter müssten Sie an das Bundestagsbüro (www.nielsannen.de) richten." Auf Anfrage der SZ ließ Annen nur seinen Anwalt mitteilen, er sehe in dem Anspruch Weinthals "keine Rechtsgrundlage".

Damit könnte es nun bald einen Präzedenzfall in einer schon länger andauernden Debatte geben, wie die Grenzen zwischen Amt und Person in den sozialen Medien verlaufen und welche juristischen Konsequenzen daraus erwachsen. Im vergangenen Jahr berichtete Netzpolitik, dass zu diesem Zeitpunkt rund 270 Nutzer von den Bundesbehörden in den sozialen Netzwerken blockiert würden. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Niema Movassat und André Hahn mitteilte, entscheiden die Bundesressorts "selbstständig und aus eigenem Recht darüber, nach welchen Kriterien Nutzer blockiert werden". Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages bezeichnet das Blockieren von Nutzern durch Behörden als Grundrechtseingriff.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2019
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