Süddeutsche Zeitung

News-of-the-World-Skandal:Unauflösbarer Widerspruch

Lesezeit: 2 min

James Murdoch gerät weiter in Bedrängnis. Bei der zweiten Befragung durch britische Parlamentarier stritt der Sohn von Medienmogul Rupert Murdoch zwar erneut ab, frühzeitig von der illegalen Abhörpraxis bei "News of the World" gewusst zu haben. Doch entweder lügt er oder die Zeugen.

Christian Zaschke, London

Nach 18 Minuten der Befragung huschte ein Lächeln über das Gesicht von James Murdoch. Er glaubte offenbar, das Schlimmste überstanden zu haben. Murdoch hatte dem Medienausschuss des britischen Unterhauses am Donnerstag erneut dargelegt, er habe nicht gewusst, dass das Hacken von Telefonen bei der inzwischen eingestellten Sonntagszeitung News of the World (NotW) weit verbreitet war - fast 6000 Personen wurden abgehört. Das Lächeln verschwand schnell: In den folgenden zweieinhalb Stunden musste sich der Chef des Asien- und Europageschäfts des Medienkonzerns News Corp unter anderem vorwerfen lassen, er leite eine mafiöse Organisation.

Das Gros der Fragen zielte zurück ins Jahr 2008. Damals hatte Murdoch einem Vergleich mit einem Fußballfunktionär zugestimmt, dessen Telefon gehackt worden war; Murdoch genehmigte eine Zahlung von 700.000 Pfund (rund 800.000 Euro). Der entscheidende Punkt: Was wusste er, als er das Geld freigab?

Die Anwälte des Fußball-Funktionärs waren im Besitz einer E-Mail, aus der hervorging, dass das Abhören von Telefonen bei NotW verbreitet war. Zwei ehemalige NotW-Mitarbeiter - Chefredakteur Colin Myler und Rechtsbeistand Tom Crone - hatten dem Ausschuss vor einigen Wochen gesagt, sie hätten Murdoch diese Mail gezeigt. Murdoch hat das stets bestritten und tat das auch am Donnerstag. Er räumte ein, Myler und Crone hätten ihm von einer belastenden E-Mail berichtet. Diese habe er aber nie gesehen, der genaue Inhalt sei ihm unbekannt gewesen.

Immer wieder äußerten die Abgeordneten Unverständnis darüber, dass James Murdoch, immerhin ein hochrangiger Abteilungs-Chef im weltweit operierenden Konzern seines Vaters Rupert, eine derart hohe Zahlung genehmigt hat, ohne Fragen zu stellen. Murdoch beharrte auf seiner Version. Ob also Myler und Crone vor dem Ausschuss falsche Angaben gemacht hätten? "Das folgt daraus", sagte Murdoch.

Es war erneut der Labour-Abgeordnete Tom Watson, der Murdoch am härtesten anging. Watson berichtete von einem Gespräch mit dem ehemaligen NotW-Reporter, an den die fragliche E-Mail gerichtet war. Der Reporter habe ihm erzählt, dass er sich aus Sorge um seinen Job bei Anwalt Tom Crone erkundigt habe, ob dieser James Murdoch die Mail wirklich gezeigt habe. Ja, habe Crone erwidert, die Mail sei ja der einzige Grund, warum man den teuren Vergleich mit Fußballfunktionär schließe.

Unauflösbarer Widerspruch

Murdoch wies das als Hörensagen und unbewiesen zurück. Watson legte nahe, bei News International, dem britischen Zeitungszweig von News Corp, gebe es offenbar eine "Omertà" - eine Schweigepflicht wie in kriminellen Organisationen. Das sei beleidigend und unwahr, versetzte Murdoch. Watson sagte: "Sie müssen der erste Mafia-Boss der Geschichte sein, der nicht weiß, dass er eine kriminelle Organisation führt."

Was bleibt von der Anhörung ist ein unauflöslicher Widerspruch: Die Versionen von Crone/Myler und Murdoch können nicht beide wahr sein. Der Ausschuss-Vorsitzende John Whittingdale sagte, man werde wohl trotzdem auf weitere Anhörungen verzichten. Für James Murdoch könnte das nach Einschätzungen von Beobachtern bedeuten, dass er erfolgreiche Schadensbegrenzung betrieben hat - er könnte eher als ahnungslos denn als verlogen in Erinnerung bleiben. Tom Watson will sich damit nicht zufrieden geben.

Bei News International wird bereits ein Ersatz für NotW geplant. Nach Informationen des Guardian sind gerade die ersten Probeausgaben einer Sonntagsausgabe der Sun gestaltet worden. Die Sun on Sunday soll im kommenden Jahr erstmals erscheinen.

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Quelle:
SZ vom 11.11.2011
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