Süddeutsche Zeitung

Online-Rätsel "Wordle":Auf ein Wort

Lesezeit: 3 min

Seit Wochen spielen Millionen Menschen Wordle. Jetzt hat die "New York Times" das Online-Rätsel gekauft.

Von Christiane Lutz

Die schönste Szene im Film "Ödipussi" ist diese: Paul Winkelmann (also Loriot) spielt mit ein paar älteren Damen Scrabble. Tante Mechthild will das Wort "Hundnase" legen, was vom Plenum entrüstet abgelehnt wird, weil es nun mal Hund-e-nase heiße. Also legt Tante Mechthild eben "Schwanzhund". Streit. Denn "wenn man sich nicht an die Regeln hält, macht es keinen Spaß", sagt Paul.

Die grenzenlose menschliche Begeisterung für Spielregeln und Wörter, die nun mal soundso viele Buchstaben haben, ist selten treffender illustriert worden als hier. Und diese Szene beinhaltet praktisch auch schon die vollständige Antwort auf die Frage, warum das Online-Rätsel Wordle so derart erfolgreich ist: weil es so irrsinnig befriedigend ist, trotz Regeln zu einem Ergebnis zu kommen.

Das derzeit überall kursierende Wordle ist ein Rätsel, bei dem man Wörter mit fünf Buchstaben erraten muss, in maximal sechs Versuchen. Gibt man ein Testwort ein, färben sich die Buchstaben grün, die an der richtigen Stelle stehen. Gelb jene, die zwar in dem gesuchten Wort vorkommen, aber an der falschen Stelle stehen. Buchstaben, die nicht im gesuchten Wort vorkommen, bleiben grau. Man korrigiert sich also von Zeile zu Zeile selbst, idealerweise ist am Ende alles grün. Das Ergebnis kann man auf Twitter teilen, wo es als kryptisches farbiges Kästchenbild nur von Insidern zu deuten ist, das gesuchte Wort aber nicht für andere Spieler spoilert.

Spiele gehören zum festen Angebot der "New York Times"

Jetzt hat die New York Times Wordle gekauft, für einen Betrag im niedrigen siebenstelligen Bereich, wie sie selbst schreibt. Dieser Kauf, heißt es, spiegle die "wachsende Bedeutung" von Spielen wie Kreuzworträtseln oder den in den USA sehr beliebten "Spelling Bees", also Buchstabierspielen, wider. Eine "wachsende Bedeutung", die sich auch an den Reaktionen ablesen lässt: Die Fans sind sauer. Man freue sich ja, so der Twitter-Konsens, dass Wordle-Erfinder Josh Wardle mit seinem Spiel nun Millionen macht, das schöne Spiel aber buchstäblich zu verkaufen, damit daraus irgendwann Abos generiert werden? Schlechte Idee.

Das Überraschende ist, dass dieser Kauf der New York Times absolut nicht überraschend ist. Journalistische Produkte werden selbstverständlich nicht ausschließlich wegen ihrer kritischen Berichterstattung oder kühlen politischen Analysen abonniert. Auch wenn das Menschen, die sie machen, und jene, die sie nutzen, gern behaupten.

Die New York Times etwa nimmt das Spiele-Geschäft seit jeher sehr ernst. Neben einer eigenen "Games"-App betreibt das Medienhaus auch eine Games-Seite mit Kreuzworträtsel, Spelling Bee, Sudoku und mehr. Nach eigenen Angaben wurden die Spiele 2021 mehr als 500 Millionen Mal gespielt. Der Kauf von Wordle, wie etwa auch kürzlich der Kauf des Sportportals The Athletic oder das Betreiben einer Koch-App ist ein Bausteinchen im andauernden Umbau des Verlages hin zu einem breiter aufgestellten Medienkonzern. Dezidiertes Ziel: Bis zum Jahr 2025 will die New York Times mit ihrem Angebot zehn Millionen Abonnenten erreichen.

Seit die Menschen Zeitungen lesen, wollen sie dort auch Rätsel lösen

Spiele für Leserinnen und Leser anzubieten, ist eine Idee, so alt wie die Zeitungen selbst. Auch hierzulande führen Zeitungen und Magazine seit Jahren einst genuin analoge Spielformate in ihrem digitalen Raum weiter. Wer früher mit dem Bleistift das Kreuzworträtsel oder später das Sudoku in der gedruckten Zeitung löste, macht das jetzt eben auf Webseiten oder in den digitalen Ausgaben der Zeitungen. Bei der FAZ und der Zeit spielt man frei zugänglich Schach, Zahlenrätsel und Sudoku, für Abonnenten gibt es bei der Zeit noch Galgenmännchen und Profi-Sudoku. Die Bild bietet so ziemlich dasselbe an, nur in animiert und greller, zudem kann man dort richtige Online-Games wie etwa "Gum Blast" spielen und Aliens mit Kaugummi bewerfen. Besonders beliebt bei den Spielen der SZ ist etwa das CUS-Rätsel "Das Kreuz mit den Worten".

Wordle passt da perfekt in die Reihe übersichtlicher Online-Spiele, die man zwar allein spielt, aber doch mit anderen teilt. Pandemiefreundlich ist das ohnehin. Wordle ist einigermaßen anspruchsvoll (wer es ernst nimmt, spielt im Original auf Englisch, auch wenn es bereits eine deutsche Version gibt), vor allem aber ist Wordle freundlich: unaufdringliches Design, keine seltsame Werbung, das gesuchte Wort ist für alle Spieler dasselbe, was wiederum den Wettbewerbsaspekt, das Posten der bunten Kästchen, begünstigt. Und, das Beste: Man kann nur ein Spiel pro Tag spielen. Wordle ist also auch noch gut erzogen und gut erziehend, beugt Exzessen à la "Candy Crush" vor, nach denen man sich doch ohnehin immer billig fühlt.

Sogar die Entstehungsgeschichte von Wordle ist freundlich: Josh Wardle, britischer Softwareentwickler, in Brooklyn lebend (wo sonst) hat das Spiel für seine Freundin entwickelt, weil diese Quizze mit Wörtern liebte. Was als Spaß zwischen den beiden begann, schickte er im Oktober 2021 in die Welt, inzwischen spielen es täglich Millionen Menschen. Der Verkauf habe sich sehr natürlich angefühlt, sagt Wardle. Wordle sei ohnehin von den Rätseln der New York Times inspiriert. Die New York Times hat angekündigt, an der Optik des Spiels nichts zu verändern und es kostenfrei zur Verfügung zu stellen - erst einmal.

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