Süddeutsche Zeitung

Neue Medien:Nachricht vom Apfel

Lesezeit: 4 min

Apple sucht Journalisten für seine News-App. Warum das eine Rolle spielt? Weil es zeigt, dass IT-Konzerne auch bei Medien mitbestimmen wollen.

Von Max Hägler und Claudia Tieschky

Die Stellenausschreibung ist ganz frisch, abzurufen auf der Unternehmenswebsite: Redakteure werden gesucht. Einen Riecher für Breaking News sollen die Bewerber mitbringen, genauso wie für "einzigartige, fesselnde Lesegeschichten". Wichtig ist auch die Bereitschaft in einem internationalen Team zu arbeiten, gemeinsam mit einigen der besten Verlage der Welt. Mehrjährige einschlägige Berufserfahrung wird vorausgesetzt, gearbeitet wird 40 Stunden pro Woche. Arbeitsort: Kalifornien, Santa Clara Valley.

Es klingt nach einem klassischen Job in jenem Gewerbe, das die vierte Gewalt genannt wird, das sich als Grundlage der Demokratie begreift. Doch der Arbeitgeber ist keine Zeitung, kein TV-Sender. Es ist Apple, die vom Börsenwert her gesehen größte Firma der Welt. Der Technikkonzern schlechthin. Der jetzt auch in Medien macht, sich damit einreiht in die anderen weltweit dominierenden IT-Firmen, die gerade ganz heiß sind auf Journalismus. Und diejenigen, die bisher schon Journalismus betrieben haben, fragen sich, was das für sie bedeutet. Gutes?

Begonnen hat das mit Google, schon vor Jahren. Wer dort Suchbegriffe eingibt, kann auch speziell Zeitungswebseiten durchsuchen, auf der ganzen Welt, die Oberfläche heißt "News" und stellt ganz selbstständig aus der Zahl der Meldungen zu Themen eine Nachrichtenwebsite zusammen. Viele Menschen finden über diesen Weg auf die Internetseiten der traditionellen Medienhäuser. Um das noch weiter zu treiben, die Software noch besser zu machen, und vielleicht auch, um gut Wetter zu machen in Europa, hat sich der Suchmaschinen-Monopolist gerade mit europäischen Verlagen und Zeitungen zusammengetan, unter anderem mit der SZ. 150 Millionen Euro stellt Google bereit, etwa um Journalisten im Digitalen fortzubilden.

Facebook, das mit 1,3 Milliarden Nutzern größte soziale Netzwerk der Welt, startet gerade mit journalistischen Partnern ein Angebot: Reportagen und Neuigkeiten tauchen direkt im Newsstream von Facebook auf, können dort direkt gelesen werden. Der Vorteil für das Netzwerk: Die Nutzer bleiben auf der Seite. Und der Journalismus partizipiert von Werbeerlösen.

Die Verlage bekommen Zugang zu einem Millionenpublikum - aber zu welchem Preis?

Und nun eben noch Apple. Dem IT-Konzern geht es darum, Inhalte aufzuspüren, "die unsere Algorithmen nicht finden". Ein dynamischer News-Stream sei zu managen, heißt es in der Jobbeschreibung; es gehe darum "eine internationale Kultur des nahtlosen Nachrichtenversands" zu schaffen, eingebettet in die Grundfunktionen des neuen Apple-Betriebssystems iOS 9, das in diesem Herbst starten soll.

Mancher aus der Medienbranche fragt sich inzwischen: Ist es wirklich notwendig, jede technischen Neuheit, jede Regung dieser Konzerne Gewicht beizumessen? Die höchst aufmerksame Beobachtung hat aber auch mit der Tatsache zu tun, dass die Rollen der Protagonisten in diesem Zukunftsspiel nicht geklärt sind. Auf der einen Seite steht der Qualitätsjournalismus mit seinen Marken aus der Print-Zeit, die sich im Digitalen langsam aber sicher zurechtfinden. Sie treffen auf schnell wachsende, innovative Konzerne, die wie Apple immer mehr zur übermächtigen Verteilstation an Milliarden Menschen werden. Unklar ist bislang: Sind die beiden Freund oder Feind? Arbeiten sie gegeneinander oder ergänzen sich die Geschäftsmodelle, weil man auf dem Weg über die Konzerne eine Mega-Publikum erreichen kann?

Apple wirbt mit vielen technischen und gestalterischen Möglichkeiten der neuen Software, um Verlage und Sender als Partner zu gewinnen: Interaktivität, Animationen, hochwertige Layouts, gegebenenfalls auch im Design der etablierten Medienhäuser. Bob Sauerberg, Präsident des Condé Nast-Verlags, hat das überzeugt, er schwärmt auf der Apple-Homepage von der gestalterischen Dynamik ("atemberaubend"). Und John Skipper, Präsident des Sportsender ESPN, glaubt an ein noch "reichhaltigeres und persönlicheres Erlebnis" für seine Inhalte.

Bislang war es war eine direkte Geschäftsbeziehung zwischen Lesern und Zuschauern sowie Presse und Sendern. Jetzt treten an die Stelle von Papier und Antenne: Facebook, Apple News, Google News.

Es scheint nicht zu stören. Der Konzern selbst hat geldwerte Argumente parat, auch das hauseigene Werbeprogramm iAd wird dort als Erlösmodell für die Verlage gepriesen ("Verdienen Sie 100 Prozent der Einnahmen aus Werbung, die Sie selbst verkaufen und 70 Prozent von dem, was iAd für Sie verkauft."). Das erinnert an Google. Der Konzern hält Kritikern gerne entgegen, man habe eine Milliarde Euro Gewinne in den zurückliegenden drei Jahren an deutsche Verlage ausgezahlt, vor allem vom Partnerwerbeprogramm AdSense. Im Fall Apple ist allerdings die Frage, ob es zu solchen Einnahmen überhaupt kommt: Das Betriebssystem iOS sorgt derzeit für Aufsehen, weil die neue Version erlaubt, Werbeanzeigen im Safari-Browser zu blockieren, also ein wichtiges Erlösmodell für Verlage.

Auf gewisse Weise werden Apple, Google und Facebook selbst zu etwas wie Verlagen. Angesichts der Tatsache, dass fast jeder sich erst nach einem Blick auf die Facebook-App im iPhone schlafen legt und morgens damit aufsteht, geht es um mehr als um eine Verteilfunktionen: Diese Firmen bestimmen das Verhalten und die Aufmerksamkeit ihrer Kunden.

Was im News-Geschäft über Jahrzehnte die Aufgabe von Redakteuren und streitbaren Redaktionskonferenzen war, die Auswahl und Gewichtung, erledigt nun ein Apple-Mitarbeiter - oder die Häufigkeit, mit der etwas auf Facebook geteilt wird. Das macht es praktischer für die Nutzer. Und zum Credo des digitalen Zeitalters gehört es eben auch, dass es egal sei, auf welchem Weg ein Artikel zum Leser kommt - Hauptsache, er kommt an. Aber transportiert dies noch etwas von der Haltung, von der die Identität einer Publikation?

Vielleicht dominiert stattdessen bald eine neue Haltung, die Apple-Sicht. Zumal unklar ist, ob die Journalisten, die Apple derzeit sucht, wirklich nur fremde Inhalte verarbeiten und verbreiten sollen - oder ob, angesichts der Job-Beschreibung, nicht doch auch eigene Nachrichten produzieren werden? Wenn man diese Fragen an die PR-Firma richtet, die für Apple arbeitet, erfährt man, dass "diese seitens Apple nicht kommentiert werden".

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Quelle:
SZ vom 17.06.2015
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