Süddeutsche Zeitung

Neue Doku bei Arte:Friedrich Liechtenstein fährt zu den "Tankstellen des Glücks"

Lesezeit: 1 min

Arte macht daraus einen wunderbar irren Fernsehtag.

TV-Kritik von Jens-Christian Rabe

So etwa in der Mitte der dritten Folge von Tankstellen des Glücks fragt man sich schon ernsthaft, was genau die Senderverantwortlichen wohl genommen haben, bevor sie diese zehnteilige Serie in Auftrag gaben. Der Berliner Künstler, Popsänger, Straßentänzer, Schmuckeremit, Dandy und Flaneur Friedrich Liechtenstein, der der Welt mit "Supergeil" das beste Supermarkt-Werbevideo aller Zeiten schenkte ("Sehr geiler Dorsch übrigens, sehr geil"), fährt in seinem alten goldenen Mercedes- Coupé quer durch Europa zu seinen Lieblingstankstellen. Ja, es geht um Tankstellen. Und darum, wen man da so trifft.

Liechtenstein hat die Fähigkeit am unwahrscheinlichsten Ort große kleine Momente zu schaffen

Spätestens in der fünften Folge allerdings will man dann auch etwas von den Arte-Redaktionsstimulanzien haben. Weil das wirklich ein auf die denkbar angenehmste Weise komplett irres Fernsehkonzept ist. Vielleicht hieß die Droge aber auch einfach Friedrich Liechtenstein, der Tankstellen ohne jede Ironie für die "romantischsten Orte unserer Zeit" hält, für wahrhaft demokratische zumal, an denen man alltäglich erfahren könne, was Freiheit bedeute. Und immer wenn die Tankstellen-Sache etwas arg zäh wird, geht es um Algen, die Liechtenstein für sehr interessante, zeitgemäße Lebewesen hält.

Das ist natürlich alles ganz schön mittelknülle, der unvergleichlich liebenswürdige Herr Liechtenstein hat jedoch zweifellos die Fähigkeit, noch am unwahrscheinlichsten Ort große kleine Momente zu schaffen, die Wirklichkeit ist schließlich "nicht wundervoll genug".

Und so hilft er etwa in Berlin in den Kant-Garagen der US-Society-Lady Consuelo Vanderbild Costin, die am helllichten Tag ein weißes Abendkleid trägt, formvollendet charmant beim Tanken. Oder veranstaltet in einer schmucklosen Shell-Tankstelle in Bad Gastein eine federleichte Gruppentänzelei. Und so kann man sich besonders nach einem viel zu langen Abend eigentlich keinen besseren Sender vorstellen als den, der diese Road-Doku-Musikvideo-Serie in Endlosschleife laufen lässt. Die These, dass Tankstellen die romantischsten Orte unserer Zeit sind, ist im Übrigen natürlich Unfug - es sei denn, es sind gerade Friedrich und seine Freunde da.

Tankstellen des Glücks , zehn Folgen am Stück, Arte, Pfingstmontag, ab 11.30 Uhr.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2992479
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.05.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.