Süddeutsche Zeitung

Netflix:Was sie sehen wollen

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Wer hat Lust auf Adam Sandler, wenn er "House of Cards" gewohnt ist? Das größte Problem des Streamingdienstes sind enttäuschte Erwartungen.

Von Benedikt Frank

Der Markenname hat schon Einzug in die amerikanische Umgangssprache gehalten: "Netflix and chill" ist sexuell konnotiert, doch vielleicht hat sich nun herumgesprochen, dass das, worauf es dabei wirklich ankommt, auch ohne den Streamingdienst wunderbar funktioniert. Die am Montag veröffentlichten Quartalszahlen enttäuschten jedenfalls die Anleger.

Firmenchef Reed Hastings gestand ein, dass man nur 160 000 neue US-Kunden gewinnen konnte und 1,52 Millionen im Rest der Welt. Ein gutes Ergebnis - nur nicht für Netflix. Denn der mittlerweile in 190 Ländern vertretene Dienst verspricht nicht weniger, als das Fernsehen weltweit zu revolutionieren. Auch eine Gewinnsteigerung um 55 Prozent genügte darum den Erwartungen der Börsianer nicht. Die Netflix-Aktie fiel um 15 Prozent.

Viele zahlen nur, wenn neue Folgen der Lieblingsserie erscheinen

Vor allem auf dem Heimatmarkt USA hat Netflix Probleme. Dort ist bereits jeder sechste Internetnutzer Abonnent. Ist die Grenze erreicht? Zudem hat die Konkurrenz, etwa HBO, online aufgeholt. Game of Thrones gibt es nur beim eigenen Streamingdienst HBO Now, international verkauft man sie an Konkurrenten wie Sky.

Als Netflix noch ein DVD-Versand war, wurde man mit günstigen Indie-Produktionen beim Nischenpublikum beliebt. Ansatzweise gibt es das immer noch, etwa mit der spleenigen Animationsserie BoJack Horseman, deren dritte Staffel am Freitag startet. Viele der neuen Eigenproduktionen sind aber unoriginelle Massenware. Netflix gibt an, mit Adam-Sandler-Komödien und Neuauflagen einst beliebter Serien Erfolg zu haben - nennt aber keine Zahlen. Doch warum sollte, wer Netflix wegen House of Cards abonniert, Produktionen sehen wollen, die ähnlich auch im Free-TV laufen? Vielen genügt es, nur dann zu zahlen, wenn neue Folgen der Lieblingsserie erscheinen. Das Binge-Watching-Phänomen hat den unschönen Nebeneffekt, dass selbst neue Serien sehr schnell altern.

Auch die Erwartungen der Zuschauer an den Katalog werden regelmäßig enttäuscht, wenn ausgerechnet der eine gewünschte Film nicht zu finden ist. In den USA schrumpfte die Auswahl nach Zählungen der Website Allflicks von 8103 im Januar 2014 um ein Drittel auf 5532 in diesem März. In Deutschland sollen etwa 1550 Filme und Serien verfügbar sein.

Netflix will nun auf noch mehr sichere Inhalte setzen, indem man etwa der Star Trek-Fangemeinde alle alten Folgen zugänglich macht. Und der Druck der Konkurrenz wirkt: Lange hatte man ausgeschlossen, dass Filme wie beim Rivalen Amazon offline angesehen werden können. Von diesem Grundsatz rückt Reed Hastings jetzt ab. Nach Vorlage der Zahlen meldete er: "Mit der globalen Expansion sind wir offen dafür."

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Quelle:
SZ vom 21.07.2016
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