Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Jimmy Breslin ist gestorben

Er begann als Sportreporter und wurde als Kolumnist von "New York Daily News" und "Newsday" berühmt. Jetzt ist der Pulitzer-Preisträger, der allen Klischees des Reporters gehorchte und die härteste Prosa überhaupt schrieb, in New York gestorben.

Von Willi Winkler

Während sich die Kollegen brav um die Staatsgäste kümmerten, die 1963 zum Begräbnis John F. Kennedys gekommen waren, interviewte Jimmy Breslin den Mann, der den Präsidenten zum Stundentarif von 3,01 Dollar ins Grab schaufelte. Breslin war ein mustergültiger Reporter, hatte also nicht studiert, sondern beschäftigte sich mit dem, was er auf der Straße sah, in der Kneipe hörte, in der U-Bahn beobachtete. Auch sonst gehorchte er dem Klischee des Reporters, wie es nur im Kino überlebt hat: Er trank, er rauchte, er hasste seine Redakteure und gab immer erst in letzter Minute ab, aber deshalb schrieb er auch die härteste Prosa. Ein soziales Gewissen brauchte er nicht, er verkörperte es. Im Kampf um die Bürgerrechte ließ er sich in den Südstaaten zusammenschlagen und schrieb weiter. Seine Kolumnen in den New York Daily News und in Newsday waren besser als jeder Leitartikel, die lieben Kollegen nannte er "gekauft", weil der Anruf eines gewissen Donald Trump genügte, dass sie ihm die nächste schwärmerische Geschichte widmeten. Am Sonntag ist der große Reporter Jimmy Breslin 88-jährig in New York gestorben. Wenn er könnte, würde er jetzt seinen Totengräber interviewen.

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Quelle:
SZ vom 21.03.2017
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