Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Ein großer Journalist

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Reinhart Hoffmeister war Reporter beim "Spiegel" und beim "Stern" und später Chef der ZDF-Sendung "aspekte".

Von Willi Winkler

In der Todesanzeige ist er unter einem Eichendorff-Zitat in schlichtem Stolz als "Journalist" ausgewiesen. Reinhart Hoffmeister war Journalist, aber was für einer: Als Spiegel-Reporter sprach er 1948 mit Walter Ulbricht; in der Revue prangerte er 1959 den Euthanasie-Mediziner Werner Heyde an, der mit Wissen der Kieler Ärzte-Prominenz fleißig weiter Gutachten verfasste; für den Stern kaufte er 1962 gemeinsam mit Henri Nannen die Riemenschneider-Madonna von den Dieben zurück; die erste Tranche von 50 000 Mark hatte er zufällig in derselben Nacht, als der Staatsschutz den Spiegel überfiel, unter eine Dampfwalze zu legen. Damals nannte er sich militärisch kurz, wie es seine Haare waren: Reinhart Holl. Während der Berliner Luftbrücke hatte Rudolf Augstein den Jahrgangsgefährten mit Bild als "dunkelfarbigen Querschläger" vorgestellt, der "zwischen Pommern und der Provence von Angehörigen aller Lager Dinge erfährt".

1969 wechselte Hoffmeister zum Fernsehen, ließ die Haare wachsen und machte Kultur für alle. Der Spiegel, der selber kaum Autorennamen duldete, warf ihm allen Ernstes vor, dass er "Ich" in die Kamera sagte. Beim ZDF in Mainz müssen sie über Nacht eine Mauer gebaut haben: hier das ZDF-Magazin des erzreaktionären Gerhard Löwenthal, dort das Kulturmagazin aspekte, in dem ein anderer Gerhard, der Schriftsteller Zwerenz, zugewachsenen Hauptes behaupten durfte, dass die Frankfurter Polizei gegen die Demonstranten Foltermethoden anwende. Hoffmeister wurde deswegen vorübergehend beurlaubt, aber die Kultur darbte ohne ihn. Die Hitler-Renaissance der Siebziger beging er, indem er einen wächsernen Adolf wie eine Kerze ansteckte. In der Sendung Litera-Tour ließ er Karl Heinz Bohrer und Hans Magnus Enzensberger über Utopien streiten oder Franz Xaver Kroetz und Peter Handke über die Relevanz von Literatur. Auch wenn's klingt wie ein Märchen aus uralten Zeiten: Bei diesem Querschläger im Kulturfernsehen war auch was los, ohne dass eine besoffene Kamera Buchtitel abfilmte. Der große Journalist Reinhart Hoffmeister ist am vergangenen Donnerstag im Alter von 92 Jahren gestorben.

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Quelle:
SZ vom 13.06.2016
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