Süddeutsche Zeitung

Nachlese:"Tatort"-Nachlese: Eingelocht ist manchmal auch am Ziel vorbei

Lesezeit: 3 min

Man würde Ballauf und Schenk wünschen, dass sie in Pension gehen dürfen. Nicht dass einer dem anderen noch in den Fuß schießt. Die "Tatort"-Nachlese.

Kolumne von Johanna Bruckner

Darum geht es:

Um zwei Kommissare, die im echten Leben vermutlich keinen Fahrraddieb mehr überführen würden - weil das aber der Tatort und damit Fiktion ist, noch mal so richtig auftrumpfen dürfen. Die Kölner Ermittler Max Ballauf und Freddy Schenk bekommen es gleich mit mehreren kriminalistischen Herausforderungen zu tun, die da wären: ein Toter (Martin Lessnik); ein Toter, der nicht wirklich tot ist (Karsten Holler); Atomgeschäfte mit Iran; eine Leiche, die verschwindet, was wiederum mit dem nicht wirklich Toten zu tun hat, aber das würde nun wirklich zu weit führen. Ach ja, die Billard-Analogien nicht zu vergessen: Die sind insofern wichtig, weil sie den Kommissaren helfen, den genialen Superschurken zu schnappen, der hinter all dem steckt.

Sie verstehen nichts? Willkommen bei "Benutzt".

Lesen Sie hier die Rezension von SZ- Tatort-Kritiker Holger Gertz:

Bezeichnender Dialog:

Bei so einem komplizierten Fall werden Überstunden fällig. Und so trifft Ballauf zu nächtlicher Stunde im Büro auf seinen Kollegen Schenk, der im Schreibtischstuhl vor sich hin sinniert.

Ballauf: "Was machst du denn noch hier?"

Schenk: "Was?" (Guckt auf die Uhr.) "Oh Mann! Du, das ZKA (Zollkriminalamt, Anm. d. Red.) ermittelt gar nicht."

Ballauf: "Was ist mit der Telefonliste?"

Schenk: "Da gibt's eigentlich nur einen Namen, der immer wieder in dieser Akte auftaucht, aber nicht auf der Liste steht. Karsten Holler."

Ballauf: "Karsten Holler ist tot! Der kann ja wohl nicht angerufen haben!"

Schenk: "Stell' dir mal vor, der ist gar nicht tot. Man hat ja nur das Motorrad in der Wüste gefunden, keine Leiche."

Ballauf: "Ich glaub', du hast Hunger, ne?"

Unfreiwillig komische Szenen:

Manchmal wirkt das, was die Tatort-Veteranen Ballauf und Schenk da treiben, wie Slapstick. Nur dass wir hier in Köln sind und nicht in Münster - was das Ganze eher traurig als lustig macht. Zum Beispiel, wenn Ballauf wild mit der Pistole fuchtelnd die Verfolgung eines Verdächtigen aufnimmt. Wäre zu diesem Zeitpunkt ein Vorgesetzter anwesend, er würde den Kommissar umgehend zu einem Fortbildungskurs "Sicherer Umgang mit der Dienstwaffe" schicken. Aber Gott sei Dank stehen Ballauf und Schenk zu diesem Zeitpunkt wortwörtlich im Wald.

Oder folgende Szene im Treppenhaus eines schicken Hauses am Rhein, in dem die Komissare soeben Sarah Holler, die Ex-Ehefrau von Karsten Holler befragt haben:

Ballauf: "Bei diesem ungeklärten Todesfall damals: Stand sie da auch unter Verdacht?"

Schenk: "Nein." (Bedeutungsschwangeres In-die-Augen-Schauen)

Ballauf: "Nur unser Toter?"

Schenk: "Die waren ja nicht nur Geschäftspartner, die waren auch Freunde." (Noch mehr bedeutungsschwangeres In-die-Augen-Schauen)

Ballauf: "Beide mit Sarah Holler zusammen."

Schenk: "Und beide sind jetzt tot." (Ballauf und Schenk gucken sich lieber nicht in die Augen, sie würden vor lauter Bedeutsamkeit wohl die Treppe hinunterstürzen.)

Top:

Der mitternachtsblaue Opel Diplomat, mit dem die Kommissare durch Köln cruisen, ist ein schönes Auto.

Flop:

An einer Stelle erklärt Freddy Schenk einer Zeugin, wie die Polizeiarbeit funktioniert: "Am Anfang gibt's kleine Verdachtsmomente, paar Ungereimtheiten, aber dann setzt sich daraus langsam ein Bild zusammen, immer deutlicher - bis am Ende die Schuld vollkommen klar ist." Das hört sich nach einem schlüssigen Rezept für Ermittlungserfolge an. Und furchtbar langweilig.

Bester Auftritt:

Ein wirklich, wirklich schönes Auto.

Die Erkenntnis:

Man sollte sein Glück nicht überstrapazieren. Das gilt für Kriminelle genauso wie für Kommissare. Ballauf und Schenk wäre zu wünschen, das sie demnächst Marke und Dienstwaffe abgeben dürfen - nicht dass am Ende noch der eine dem anderen in den Fuß schießt.

Die Schlusspointe:

Erinnern Sie sich noch an Wickie und die starken Männer? Wenn der rothaarige Junge gegen Ende jeder Folge seinen Zeigefinger an die Nase legte, wusste man: Gleich kommt er mit einem genialen Einfall um die Ecke. Ähnlich vorhersehbar ist die Pointe in diesem Tatort. Da steht also das komplette Team um einen Billardtisch und plötzlich setzt Freddy Schenk sein Kölschglas ab. Es folgt die erwähnte Billard-Analogie, die in Sachen Gewitztheit nicht annähernd an Wickie heranreicht.

Schenk: Dreiband ist absolute Präzision. Da müssen Sie wirklich alles vorher berechnen, jeden Winkel, jede Kleinigkeit.

Kollegin vom ZKA: Und Holler war deutscher Meister?

Ballauf: Das ist wie Schach. Da denkt man drei Züge im Voraus. So jemand, der lässt sich nicht so einfach überraschen.

Schenk: Schon gar nicht von seiner Ex-Frau.

Und da ist er wieder, der bedeutungsschwangere Blick zwischen Ballauf und Schenk.

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