Süddeutsche Zeitung

Joachim Gauck bei "Maischberger":"Und siegen wollen dürfen wir"

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Der Bundespräsident a. D. ist auch mit 81 Jahren noch geistig gelenkig. Eine Impfpflicht kann er sich vorstellen, trotzdem will er mit Andersdenkenden streiten.

Von Kathrin Müller-Lancé

Zugegeben, es sah zunächst danach aus, als wäre der Auftritt von Quasi-Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei Joko und Klaas der eindeutige Überraschungscoup dieses Fernsehabends. Und klar, alles eine sehr feine Sache. Wer aber später ins Öffentlich-Rechtliche zappte, wurde mit einem ebenfalls stabilen Auftritt belohnt, und zwar vom 81-jährigen, geistig nach wie vor gelenkigen Joachim Gauck.

Während Scholz bei Pro Sieben zu Geigengefidel sprach, muss sich der Bundespräsident a. D. bei "Maischberger" erst mal durch den Großen Zapfenstreich kämpfen. Ein Einspieler erinnert daran, wie er die Militärmusiker zu seinem Abschied "Über sieben Brücken musst du geh'n" spielen ließ. Das Ganze ist natürlich ein Augenzwinkern in Richtung des Zapfenstreichs, der zu Merkels Ehren ansteht ( Nina Hagen, Farbfilm, Sie wissen schon). "Joa, gut, ham wir auch alle drüber gelacht", ist Gaucks knapper Kommentar dazu.

Auf zum nächsten Thema, Corona, was sonst. In der Vergangenheit war Gauck diesbezüglich mit eher unterschiedlichen Äußerungen aufgefallen: Mal hatte er mehr Toleranz für Querdenker gefordert, mal Impfgegner als "Bekloppte" bezeichnet. Auf Letzteres angesprochen, sagt Gauck bei "Maischberger": "Das war nicht meine beste Tagesform." Schwamm drüber, denn was folgt, ist ein Alt-Bundespräsident in sehr guter Form.

Auf Maischbergers Frage, ob Corona die Gesellschaft spalte, antwortet Gauck, man müsse zwei Formen von Spaltung miteinander abwägen: Die, die Ungeimpfte derzeit mit ihrer Verweigerungshaltung befeuerten - und die, die eine Impfpflicht zur Folge hätte. "Und wenn wir das tun, Frau Maischberger, stellen wir etwas ganz Eindeutiges fest: Die Spaltung, die wir jetzt haben, geht schlecht um mit einem großen Teil der Bevölkerung. Die Spaltung, die wird dann haben, wenn wir eine stärkere Verpflichtung zum Impfen haben würden, würde Nutzen bringen für die gesamte Gesellschaft." Prinzipiell könne er sich eine Impfpflicht vorstellen, sagt Gauck später, "wir haben die Erfahrung, dass diese Form des Eingriffs die Rechte der Bürgerinnen und Bürger nicht löscht".

"Es gibt eine Form der Toleranz, die besteht in direktem Streit"

Trotzdem, findet Gauck, müsse man schon auch aushalten, wenn Menschen anders dächten: "Es gibt eine Form der Toleranz, die besteht in direktem Streit. Der Gegner ist wie im Sport jemand, den du nach Regeln besiegen möchtest." Kunstpause. "Und siegen wollen dürfen wir." Lächeln.

Von den Regierenden wünscht sich der ehemalige Bundespräsident Führungswillen "nicht aufgrund der Tatsache, dass ich ein kraftvoller Typ bin, sondern aufgrund der Argumente, die von der Mehrzahl der Fachleute vorgetragen werden". Könnte man als Seitenhieb gegen die Ampel-Verhandler sehen, oder gegen den NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, der zuvor in der Sendung auf die Frage nach den vollen Fußballstadien ziemlich rumeierte.

Tapfer lässt Gauck am Ende die obligatorische Satzvervollständigungsrunde über sich ergehen ("Ach, das noch wieder"), dann erzählt er kurz von den Urenkeln und seinem Weihnachtsfest, das er dieses Jahr möglicherweise nur zu zweit feiern will. "Auch schön", findet er. "Auch schön", pflichtet Maischberger ihm bei.

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