Süddeutsche Zeitung

Late-Night-Show:"Tonight Show" kommt nach Deutschland

Lesezeit: 2 min

Late-Night-Talker Jimmy Fallon lebt von Schnipseln seiner Sendung, die er bei Facebook verbreitet. Die ganze Show läuft jetzt im deutschen Fernsehen.

Von Jürgen Schmieder

Jimmy Fallon ist der Komiker für die Kaffeepause am nächsten Nachmittag. Das ist nicht gerade ein Kompliment für jemanden, der sein Geld damit verdient, dass am (Vor-)Abend möglichst viele Menschen den Sender NBC einschalten. Das tun immer noch sehr viele, in der vergangenen Woche waren es durchschnittlich 3,6 Millionen Amerikaner - doch seine popkulturelle Relevanz erreicht Fallon dadurch, dass am Tag danach einzelne Schnipsel seiner Tonight Show bei sozialen Netzwerken eingestellt, per E-Mail an Freunde und Kollegen verschickt oder auf Fallons Youtube-Kanal verlinkt werden: Wie er mit der Sängerin Adele deren Hit "Hello" auf Erstklässler-Instrumenten neu interpretiert. Wie er die "Star Wars"-Darsteller zu einer A-capella-Version der Lieder ihrer Saga bewegt.

Das ist cool, das ist lustig, das ist unterhaltsam - die komplette Sendung, die immerhin 45 Netto-Minuten dauert, ist in Sieben-Minuten-Häppchen unterteilt, perfekt für den leicht bekömmlichen Internet-Genuss zwischendurch. Das ist eine von Jimmy Fallons großen Stärken: Er bedient die Generation Facebook perfekt.

Das alles kann natürlich auch jeder interessierte Deutsche im Netz finden, und trotzdem kommt Jimmy Fallon nun hier ins lineare Fernsehen. Von Dienstag an zeigt Eins Festival werktags um 23 Uhr die jeweils aktuelle Folge im amerikanischen Originalton mit Untertiteln.

Jimmy Fallon wirkt wie eine Mischung aus Fan und Freund

Fallons andere Stärke liegt in der Nähe zu seinen Gästen. Er stellt kaum kritische Fragen, wie es Jon Stewart in der Daily Show getan hat und wie es dessen Nachfolger Trevor Noah nun tut. Er stellt Gäste auch nicht bloß wie David Letterman in der Late Show. Fallon wirkt wie eine Mischung aus Fan und Freund, die Prominenten fühlen sich deshalb sicher und tun Dinge, die sie woanders wohl nicht tun würden.

Die Stars machen auch deshalb gern mit, weil sie wissen, dass die Aktionen zwar innovativ, an Harmlosigkeit aber kaum zu überbieten sind. Ihnen ist auch bewusst, dass sie bei Fallon Aufmerksamkeit für ihr neues künstlerisches Erzeugnis kreieren - und dass die Hinweise auf den Film, das Album oder die Fernsehserie auch in den viral verbreiteten Videos am nächsten Tag von Millionen von Menschen gesehen werden. Es gibt keine unangenehmen oder gar skandalösen Augenblicke, der größte Skandal um die Sendung sind die Gerüchte, dass Fallon den Stress gern mit Alkohol hinunterspült und sich deshalb im vergangenen Jahr auf Partys verletzt hat. "Wir hatten deshalb ein paar Gespräche", sagt NBC-Chef Robert Greenblatt: "Er hat unserer Meinung nach kein Alkoholproblem. Er hatte Spaß und dabei ein paar Unfälle, abgesehen davon ist er in der Form seines Lebens."

Fallon ist kein Satiriker und kein Zyniker, er präsentiert kaum bissige Kommentare zum Weltgeschehen, Interviews mit Politikern sind seine Sache nicht. Sein Eröffnungsmonolog ist deshalb meist dröge, gehört zu Late-Night-Shows aber einfach dazu. Fallon weiß jedoch, was er nicht gut kann - und wie nur wenige andere lässt er diese Dinge bleiben. Er ist ein Botschafter der Popkultur, der seine Zuschauer über Twitter-Hashtags und andere Aktionen ein- und damit an die Sendung bindet.

Fallon ist weniger Musst-du-sehen als vielmehr Solltest-du-gesehen-haben, weshalb die lineare TV-Ausstrahlung in Deutschland durchaus verwundert. Sie ist Teil einer Vereinbarung zwischen NBC und WDR, der deshalb etwa auch schon die Show Michael Bublé's Christmas in Hollywood im Programm hatte. Die lustigsten Fallon-Schnipsel kann der deutsche Zuschauer bereits jetzt im Internet sehen, nun gibt es die ganze Sendung. Damit ist Jimmy Fallon neben Jan Böhmermann der einzige Late-Night-Talker im deutschen Fernsehen und daher bald wohl auch hierzulande noch mehr Facebook-Gesprächsstoff als bisher.

The Tonight Show, Eins Festival, montags bis freitags, 23 Uhr.

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SZ vom 26.01.2016
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