Süddeutsche Zeitung

"Bild"-Zeitung über Metzelder:Schwache Faktenlage

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Von Wolfgang Janisch

Die Bild-Zeitung hatte die Geschichte zuerst, was in diesem Fall keiner Recherche bedurfte - denn die Story in eigener Sache wurde der Redaktion zugestellt: "Gericht verbietet Bild Berichte über Metzelder", meldete die Online-Ausgabe der Boulevardzeitung. Klang ein wenig nach Zensur. Sollte es womöglich auch.

Richtig daran ist: Das Landgericht Köln hat der Bild per einstweiliger Verfügung untersagt, mit Foto und Namen über die Ermittlungen gegen den Ex-Fußballer Christoph Metzelder zu berichten, der im Verdacht der Verbreitung kinderpornografischer Schriften geraten war. Aber das ist nur die halbe Geschichte. Denn das richterliche Verbot bezieht sich auf bestimmte Artikel, die in den Ausgaben des 4. und 5. September erschienen sind: "Hier holen Fahnder Metzelder aus der Sportschule" hatte das Blatt damals getitelt, mit einem Foto von Metzelder, der von zwei Zivilbeamten begleitet wird. Oder abgeführt - diesen Eindruck konnte gewinnen, wer den Text nicht gelesen und damit nicht erfahren hat, dass der Sportler jedenfalls nicht verhaftet worden war. Hinzu kamen ein paar dramatisierende Details ("Die Ermittler legen schusssichere Westen an, sind bewaffnet"). Und schließlich die irreführende Formulierung "schwerer Verdacht". Natürlich war der Vorwurf gravierend. Aber der Verdacht selbst ist eher ein Leichtgewicht. Für die Einleitung eines solchen Ermittlungsverfahrens genügt ein Anfangsverdacht, keine besonders hohe Hürde.

Ob es diese Punkte waren, die das Landgericht zum Erlass einer Verfügung motiviert haben, ist nicht ganz klar. In der knappen Begründung seiner Verfügung schreibt das Gericht lediglich, die Berichterstattung sei "mindestens unausgewogen, in Teilen deutlich vorverurteilend". Erhellend ist dazu ein weiterer Teil der Verfügung, die sich gegen Äußerungen des Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt in der NDR-Sendung Zapp richtet: Reichelt sprach davon, dass hier ein "Schwerstverbrechen" im Raum stehe. Hält man sich streng ans juristische Vokabular, dann ist das falsch: Die Verbreitung von Kinderpornografie ist ein Vergehen mit einem Strafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahre - beim Verbrechen liegt die Untergrenze bei einem Jahr.

Weil die soziale und berufliche Existenz in Gefahr ist, gelten wohl strenge Anforderungen

Aber der Beschluss des Landgerichts weist auch über die Bild hinaus. Man kann ihn als Mahnung an die übrige Medienwelt lesen, von nun an allenfalls höchst vorsichtig über die Causa Metzelder zu berichten. Denn aus Sicht der Richter steht eine Voraussetzung jeder zulässigen Verdachtsberichterstattung auf tönernen Füßen: Es fehle an einem "Mindestbestand an Beweistatsachen, die für die Richtigkeit des vermittelten Verdachts sprechen könnten", heißt es im Beschluss. Der "Mindestbestand an Beweistatsachen", das ist die unerlässliche Faktenbasis für "Verdachtsberichte". Diese Faktenbasis muss umso tragfähiger sein, je gravierender der Vorwurf ist. Da jemandem, der mit Kinderpornografie in Verbindung gebracht wird, das soziale und berufliche Aus droht, ist anzunehmen, dass das Gericht hier strenge Anforderungen stellt.

"Die vorliegende Strafanzeige reicht hierzu ebenso wenig aus wie die auf ihrer Grundlage eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen", schreibt das Gericht. "Aus dem Umstand, dass Durchsuchungsmaßnahmen stattgefunden haben, ist nicht ersichtlich, dass sich der Anfangsverdacht weiter erhärtet haben könnte."

Das aber ist erst einmal nur eine einstweilige Verfügung - die normalerweise nur sehr kursorisch geprüft wird. Genaueres wird man erst nach dem Hauptsacheverfahren wissen. Wenn sich aber die Vorwürfe gegen Christoph Metzelder nicht verfestigen, empfiehlt sich generell bis dahin, über den Fall mit großer Vorsicht zu berichten.

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SZ vom 27.09.2019
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