Süddeutsche Zeitung

Twitter:Ulf Poschardt muss Tweet über Grönemeyer richtigstellen

Lesezeit: 2 min

Von Elisa Britzelmeier

Ulf Poschardt ist Vielschreiber. Fast mehr noch als in seiner Zeitung lässt sich das auf Twitter beobachten: Seit der jetzige Welt-Chefredakteur vor sechs Jahren dem sozialen Netzwerk beigetreten ist, hat er mehr als 30 000 Tweets getippt und mehr als 43 000 Follower angesammelt. Dass es kaum einen Unterschied macht, wo Poschardt etwas hinschreibt, zeigt sich gerade in seiner Auseinandersetzung mit dem Sänger Herbert Grönemeyer. Der hat sich zuletzt bei einem Konzert gegen Rassismus geäußert, was nicht weiter spektakulär wäre, hätten ihn nicht so viele Menschen dafür wahlweise kritisiert oder bejubelt.

Zu den Verteidigern gehörte Außenminister Heiko Maas, zu den Kritikern eben Ulf Poschardt. Er twitterte über Grönemeyer: "Besonders witzig von jemand der in London vor unseren Steuersätzen geflüchtet ist". Daran ist nicht nur die Grammatik schief. Das Problem dabei: Poschardt hat sich in diesem Fall nicht auf seine Meinung beschränkt, sondern eine falsche Tatsachenbehauptung verbreitet. Grönemeyers Anwalt forderte Poschardt darum zu einer Richtigstellung auf - woraufhin dieser sich korrigieren musste: "Hierzu stelle ich richtig: Herr Grönemeyer hat seinen steuerlichen Wohnsitz in Deutschland. Seine frühere Entscheidung, nach London zu ziehen, hatte keinerlei steuerlichen Gründe. Ulf Poschardt", twitterte er am Mittwoch unter der Überschrift "Richtigstellung". Twitter ist eher nicht dafür bekannt, dass dort Dinge zurückgenommen werden, schon gar nicht im juristischen Sinne. Insofern wirft der Vorfall die große Frage auf, ob ein Tweet eines Journalisten - und davon tummeln sich eine Menge auf der Plattform - gleich zu bewerten ist wie ein Zeitungstext.

Grönemeyers Anwalt Christian Schertz findet: ja. Zusätzlich zur Richtigstellung habe Poschardt auch eine Unterlassungserklärung abgegeben, sagt er auf SZ-Anfrage. Versehen mit dem Briefkopf des Axel-Springer-Verlags, was für Schertz ein weiterer Beleg dafür ist, dass zwischen Tweet und Zeitungsartikel kaum zu unterscheiden ist. Für Grönemeyer ist es nicht die erste juristische Auseinandersetzung mit Journalisten des Springer-Verlages. "Es ist ein Novum, dass ein Chefredakteur einer großen deutschen Tageszeitung per Tweet eine Richtigstellung veröffentlichen muss", sagt Schertz. 2017 hatte Grönemeyer sich erfolgreich gegen die Berichterstattung über eine Auseinandersetzung mit einem Fotografen und einem Kameramann gewehrt. 2015 twitterte der damalige Bild-Chefredakteur Kai Diekmann ein Foto mit der Adresse des Sängers, auch dagegen wehrte Grönemeyer sich mit Erfolg.

Bevor Poschardt die Richtigstellung schrieb, führte er eine Twitter-Umfrage durch. Ein "weltberühmter, liberaler Popstar hetzt mir seinen klugen Anwalt auf den Hals, wegen eines Tweets", schrieb er. Was er machen solle? Grönemeyers Anwalt findet das "nicht angemessen". Er sagt: "Ich hätte mir mehr Ernsthaftigkeit gewünscht, nachdem offenbar jegliche Recherche unterblieben ist".

Den ursprünglichen Tweet über Grönemeyer hat Poschardt gelöscht. Entschuldigt hat er sich nicht.

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Quelle:
SZ vom 20.09.2019
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