Süddeutsche Zeitung

Fortsetzung von "Karate Kid":Die unerträgliche Leichtigkeit des Jungseins

Lesezeit: 2 min

Von Jürgen Schmieder

Es gibt einen Moment in dieser Serie, der ist urkomisch und unsensibel zugleich, innerhalb weniger Sekunden erklärt er das Teenagersein, das Älterwerden und den ganzen Mist dazwischen. Der Karate-Sensei Johnny, im besten Midlife-Crisis-Alter, steht vor seinen jungen Schülern und brüllt: "Wollt ihr, dass alle Mädchen glauben, dass ihr schwanzlose Vollidioten seid? Ihr wollt doch keine Muschis sein! Ihr wollt Eier haben!" Der schüchterne Miguel fragt, ganz ohne Sarkasmus: "Glauben Sie nicht, dass Sie ganz schön viele Gender-Stereotype bedienen?"

Cobra Kai ist die Fortsetzung des 80er-Jahre-Filmklassikers Karate Kid. In den USA laufen die zehn Folgen vom 2. Mai an beim Streamingdienst YoutubeRed, wann Cobra Kai in Deutschland zu sehen sein wird, ist noch nicht bekannt. Weil auf dieses Sequel niemand gewartet haben dürfte, liegt der Verdacht nahe, dass es diese Serie nur gibt, weil die Wiederaufnahme alter Stoffe wie Roseanne oder Akte X derzeit äußerst erfolgreich ist. Cobra Kai dürfte trotzdem Zuschauer finden, weil die Serie ein ehrliches Porträt zweier grundverschiedener Generationen zeichnet.

Die unerträgliche Leichtigkeit des Jungseins

Die Protagonisten Daniel und Johnny werden augenzwinkernd von den Originaldarstellern Ralph Macchio und William Zabka verkörpert. Daniel, einst der sympathische Underdog, ist 34 Jahre später ein erfolgreicher Autohändler, der von seinem scheinbar perfekten Leben gelangweilt ist. Aus dem Bösewicht von damals ist, nun ja, nichts geworden, Johnny ist ein Loser ohne Job oder Freunde.

Nach einer nächtlichen Begegnung mit rüpelhaften Teenagern beschließt er, die Karateschule "Cobra Kai" zu renovieren, um dieser, wie er sagt, "verdammten verweichlichten Generation" das Kämpfen beizubringen. Natürlich ist Johnnys Schüler mit Daniels Tochter liiert, wie damals läuft es auf eine Begegnung bei einem Turnier hinaus - doch darum geht es nicht in dieser Serie. Das eigentliche Thema ist die unerträgliche Leichtigkeit des Jungseins. Diese wunderbare, aber knifflige Zeit im Leben, in der niemand weiß, wer er (oder sie) eigentlich ist oder sein möchte.

Es hat schon zu Zeiten von Karate Kid eine Debatte darüber gegeben, ob Johnny tatsächlich der Bösewicht dieser Geschichte ist. War er nicht vielmehr ein verwirrter Teenager, der Liebeskummer, Probleme in der Schule und die Ankunft eines Rivalen verarbeiten musste und der von einem psychopathischen Karatelehrer fehlgeleitet wurde? Am Ende des Films präsentierte Johnny seinem Rivalen, der mit einem unerlaubten Tritt gewonnen hatte, geläutert und mit Tränen in den Augen die Trophäe des Siegers.

Das Timing für die Fortsetzung könnte kaum besser sein

Cobrai Kai nähert sich dieser Ambivalenz mit erfrischender Ehrlichkeit. Die Serie nimmt die Sorgen junger Menschen ernst, aber auch die Ahnungslosigkeit der Erwachsenen im Umgang mit ihnen. Eltern heutzutage helikoptern einerseits über ihren Kindern - schwärmen gleichzeitig aber von dieser guten alten Zeit, in der Kinder auch mal schmutzig werden durften. Es geht nur am Rande um zwei Mittfünfziger, die eine alte Rivalität wieder aufleben lassen. In Wirklichkeit geht es ums Zurechtfinden im Jetzt.

Natürlich gibt es in der Serie Hinweise auf Karate Kid. Daniel musste damals im Auftrag seines Lehrers stundenlang Autos polieren - in Wahrheit verstecktes Karate-Training. Als nun Miguel die Fensterscheiben der Karateschule putzt und seinen Sensei fragt, ob er eine bestimmte Technik verwenden soll, da antwortet Johnny: "Nein, das ist mir scheißegal."

Das Timing für die Fortsetzung könnte kaum besser sein, auch angesichts der aktuellen Debatten um Männlichkeit. Der Zuschauer muss sich nicht entscheiden, ob es nun komisch oder unsensibel ist, wenn Johnny einem Teenager mitteilt: "Ich fühle mich wie eine Jungfrau, wenn ich dich nur ansehe." Es ist komisch, weil es unsensibel ist.

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SZ vom 28.04.2018
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