Süddeutsche Zeitung

Fernsehfilm im Ersten:Diese schönen Muster

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Corinna Harfouch und Jens Harzer in einer Tragikomödie, die vom Sterben, aber eigentlich vom Leben handelt.

Von Willi Winkler

Sterben ist kein Vergnügen, kann aber ziemlich komisch sein, wenn Corinna Harfouch und Jens Harzer auf ihre je eigene Art dem Tod entgegengehen. Lothar Kellermann, Harzer also, bekommt die Diagnose Lymphdrüsenkrebs im Endstadium, verkauft seine Firma, verschenkt sein Geld an das Tierheim und verfügt sich selber in ein Hospiz, um das Ende zu erwarten. Es kommt viel zu früh, aber das ist kein Grund, nicht die letzten Dinge zu regeln. Kellermann hakt sein Sterben ab wie zuvor sein Leben im Fliesengeschäft, sorgt für seine Angestellten, bestellt die Grabpflege, und bei der Beerdigung soll Chopin erklingen, op. 9, Nocturne.

Ganz so einfach ist es aber nicht, wer will schon fort mit 49? Wie er sich fühle, wird Kellermann gefragt, und er antwortet so wortkarg, wie er bisher gelebt hat: "Verärgert" sei er, aber die Hände zittern ihm, und als er im Zimmer, in dem er sterben soll, seine letzten Hemden aus dem Koffer holt, bricht er ganz kurz zusammen. Im Hospiz lernt er Rosa (Harfouch) kennen, Brustkrebs im Endstadium. Sie rauchen zusammen, schweigen, rauchen. Rosa bringt ihn dann doch zum Reden, ein bisschen wenigstens. Hat er keine Familie? Geschieden. Und Kinder? Eine Tochter, aber keinen Kontakt. Rosa ist auch geschieden, aber nicht allein, ihre große Familie, auch der Mann mit seiner neuen Frau, besucht sie zum Kaffee. Lothar muss froh sein, wenn einer seiner ehemaligen Mitarbeiter bei ihm mit einem Wiesenblumenstrauß auftaucht. Vor ihm stottert er ein ziemlich verkorkstes Leben zusammen, das nicht einmal genügend Stoff für eine Trauerrede hergibt. Perry Rhodan hat er gelesen, von der Unsterblichkeit geträumt und lieber mit seinen Spielzeugautos geredet statt mit anderen Kindern. Die Tochter erscheint, aber das Reden fällt ihm weiter schwer. Sie nimmt die Verfügung über seine Beerdigung mit, das Geld liegt auf dem Konto bereit.

Lothar ist ein Menschenfeind, aber mit Rosa fängt er an zu reden, zum Beispiel über Fliesen

Mit Rosa beginnt er zu reden, über die Muster auf seinen Fliesen, wie sie sich zueinander fügen, aufeinander verweisen, wie beruhigend sie sind in dieser Ordnung. Rosa schwindet dahin, aber das mit den Ornamenten interessiert sie. Nachts bricht er ins Lager seines alten Geschäfts ein und schleppt in der Aktentasche die schönsten davon, schenkt sie Rosa. Ob er je in Marokko war, fragt sie ihn. Warum sollte er, versetzt er, er liebe marokkanische Fliesen, aber die Marokkaner, die mag er nicht. Rosa entfährt die einzige zutreffende Diagnose für ihren Sterbensgefährten: "Bist ja ein richtiges Arschloch!" Ziemlich bald folgt das (so viel Spoiler muss sein), was Lothar nur als "Katastrophe" begreifen kann: Er ist gar nicht krank, es sind nur folgenlose Leberflecke auf seiner Haut, er wurde Opfer einer Fehldiagnose, wird also anders als Rosa nicht sterben, nur hat er kein Geld zum Weiterleben, er hat doch alles weggeschenkt.

Ruhe! Hier stirbt Lothar (Regie: Hermine Huntgeburth; Buch Ruth Toma, Szenenbild: Sabine Pawlik) ist ein Märchen, darum geht es halbwegs gut aus. Der Menschenfeind merkt, dass es außer seinem geliebten Hund, den er weggegeben hat, noch andere Menschen gibt. Er hat Reden gelernt, und statt ins Leben seiner Tochter zu pfuschen, kann er ihr plötzlich helfen. Es kommt dann, wie es kommen muss, aber nichts ist schöner, als Corinna Harfouch und Jens Harzer beim Rauchen und beim Schweigen zuzuschauen.

Ruhe! Hier stirbt Lothar. Das Erste, 20.15 Uhr

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