Süddeutsche Zeitung

Fernsehen:Recherche statt Gefühle

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Wie berichten Journalisten in Sachsen über Rechte? Eine Doku.

Von Ulrike Nimz

Das erste Mal überrascht wirkt Andreas Weller, als er für einen Neonazi gehalten wird, von einem Neonazi. Anlässlich der Bombardierung Dresdens am 13. Februar will die NPD durch die Stadt marschieren. Der Lokalreporter der Sächsischen Zeitung erklärt in die Kamera, dass es hier nicht um Gedenken geht, sondern um rechtsextremes Gedankengut. Da stößt ihn ein Hüne mit Glatze beiseite: "Wir reden nicht mit der Presse!" Er hält Weller offenbar für einen zu mitteilsamen Kameraden. Später wird es ein Polizeibeamter sein, der den Journalisten schubst und abdrängt, obwohl Weller seinen Presseausweis zückt.

In der Reportage Dem Rechtsruck auf der Spur werden vier Berichterstatter der Sächsischen Zeitung begleitet, um die Frage zu klären: Was heißt es, Journalist zu sein, in politisch unruhigen Zeiten, in Sachsen? Antwort: angerempelt werden, manchmal von allen Seiten.

Ulrich Wolf arbeitet seit 19 Jahren bei der Sächsischen Zeitung, hat das An- und Abschwellen von Pegida verfolgt, auf der Straße und vom Büro im Haus der Presse aus, vor dem die Demonstranten gern stoppten, um den "Lügenpresse"-Kanon anzustimmen und die Faust zu schütteln.

Der Reporter ist auch dabei, als in Bautzen die Dialogveranstaltung "Zurück zur Sachlichkeit" in ein Tribunal umschlägt. Eine Bloggerin wird beschimpft, weil sie beharrlich Neonazi-Strukturen in der Stadt kritisiert. Im dreiteiligen "Bautzen-Report" hat Wolf eine Gegenöffentlichkeit beschrieben, in der immer mehr Menschen lustvoll das System infrage stellen - ein Glanzstück des Lokaljournalismus.

Während der journalistische Blick von außen sich oft darin erschöpft, örtliche Unwetter zu beschreiben, sind die Kollegen vor Ort Experten für den Klimawandel. Dabei verstehen die Redakteure der Sächsischen Zeitung sich nicht als Kämpfer gegen die AfD, sondern als akribische Rechercheure. Wie aber nüchtern bleiben, wenn es persönlich geworden ist? Tobias Wolf ist zuständig für die AfD, wie sein Namensvetter in der Redaktion hat er für seine Arbeit Preise gewonnen. Anfang 2017 wird er von einem AfD-Parteitag in Klipphausen ausgeschlossen. Ein Video des Geschehens ist noch online. Wolf schultert wortlos seinen Rucksack und verlässt flankiert von Ordnern den johlenden Saal.

Gleichwohl ein Blick in andere Medienhäuser der Region, etwa nach Chemnitz, die Perspektive geweitet hätte, überzeugt der Film durch seine Unaufgeregtheit, den Verzicht auf schnelle Schnitte und dramatische Musik. Stattdessen: Drohnenflüge über sanierte Dächer und eine Kamera, die den Protagonisten auch in alltäglichen Momenten folgt. In schmucklose Büros, auf verschneite Bahnsteige, durch ein Land, in dem sich der Rechtsruck manchmal anfühlt wie Normalität.

Dem Rechtsruck auf der Spur , Arte, 19.40 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 23.05.2019
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