Süddeutsche Zeitung

Doku-Reihe "Skandal!":Die dunkle Seite der Macht

Lesezeit: 2 min

ZDF Info erklärt in einer Doku-Reihe die größten politischen Skandale der deutschen Geschichte.

Von Jan Heidtmann

In der Politik ist der Skandal das Blitzlichtgewitter. Ein greller Moment im gewöhnlich gut durchgetakteten Politikbetrieb. Ein Fokus auf den menschlichen Makel im alltäglichen Händel der Parteien. Der frühere Verteidigungsminister Rudolf Scharping verursachte so einen Skandal, als er mit der Gräfin Pilati auf Mallorca herumtollte, während sich seine Truppen auf einen Einsatz in Mazedonien vorbereiteten. Genauso wie US-Präsident Bill Clinton, der eine sexuelle Beziehung zur Praktikantin Monica Lewinsky unterhielt.

Der Skandal ist großer Stoff, für die Politik eine Katastrophe, für die Medien ein Geschenk. Hintergründe werden dann an die Öffentlichkeit gezerrt, der Skandal entwickelt sich zur Affäre. Hin und wieder führt das größere Bild zum Rücktritt eines namhaften Politikers. Korruption, Intrigen, Verschwörungen und Allzumenschliches verdichten sich schließlich zu einer epischen Erzählung über die Macht. Auch die Bundesrepublik hat solche Erzählungen, jeder Nichtwähler kennt sie.

Umso mehr überrascht, dass der Informationskanal des ZDF sie nun wieder aus den Archiven kramt. Skandal! Politische Affären in Deutschland heißt die neue Doku-Reihe, die am 23. Dezember gleich mit drei Folgen hintereinander startet: "Das Starfighter-Desaster", "Der Contergan-Fall", "Der Spiegel im Visier". Der Gedanke daran, dies alles wieder einmal sehen zu müssen, macht einen etwas müde: den Verteidigungsminister Franz Josef Strauß, durchtrieben!, die Firma Grünenthal, übel! und, ja, klar, der Spieg el, das Sturmgeschütz der Demokratie. Was gibt es zu diesen Affären noch zu sagen, was nicht schon sehr, sehr oft gesagt worden ist?

In Rudolf Augsteins Auto verliert Franz Josef Strauß die Fassung

Um es kurz zu machen: Das gibt es. Die Autoren der Skandal!-Reihe beschreiben ausführlich die politischen und gesellschaftlichen Umstände, die zu den Affären führten. Zum Beispiel die Aufbruchsstimmung der Fünfziger- und Sechzigerjahre, die die Deutschen aber schlecht schlafen lässt, unhinterfragt nehmen sie jede Menge Schlafmittel. Und es wird gezeigt, wie unfähig die Gesellschaft damals war, mit den vom Contergan geschädigten Menschen umzugehen.

Die Geschichte vom Starfighter, von dem allein in Deutschland 269 abstürzten, ist auch die Geschichte der Wiederbewaffnung der Bundeswehr; die Spiegel-Affäre wiederum erzählt von zwei machtbewussten Männern, Franz Josef Strauß und Rudolf Augstein, die beide dasselbe Ziel haben: einen dritten Weltkrieg zu verhindern. Nur, dass Verteidigungsminister Strauß dafür die Bundeswehr atomar bewaffnen will und Spiegel-Chef Augstein ihn genau deshalb zu verhindern sucht. Interessant dabei auch eine kleine Sequenz: Nach einem alkoholgetränkten Abend will Augstein Strauß in seinem Wagen zum Zug bringen. Die Zeit ist knapp, Strauß verlangt, dass Augstein durch Einbahnstraßen fährt. Der aber weigert sich, Strauß verliert die Fassung - was ihn in den Augen Augsteins endgültig als Spitzenpolitiker disqualifiziert.

Am Ende der drei Folgen Skandal dann fühlt man sich wie nach einer Packung Chips: Hat gut geschmeckt, aber jetzt reicht's auch wieder. Die Machart der Skandal!-Serie ist zu gleichförmig, um wirklich spannend zu sein. Da alle drei Folgen von derselben Zeit handeln, den Wirtschaftswunderjahren der Republik, kommen manche historischen Szenen gleich in mehreren Folgen vor. Zu Übersättigung führt auch das ausufernde Zeitzeugentum; allein in der Starfighter-Affäre kommen mehr als eine Handvoll Ex-Piloten zu Wort, drei Ehefrauen abgestürzter Piloten, dazu ein Journalist, drei Historiker und ein junger Medienforscher, dessen Aussagen sich auf dem Niveau eines Wikipedia-Eintrags bewegen. Diese immense Zahl an Interviewpartnern ist unnötig, denn der Stoff allein ist stark genug. Das zeigt auch diese Doku-Reihe wieder.

Skandal!, drei Folgen, ZDF Info, von 18.45 Uhr an.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2792338
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.12.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.