Süddeutsche Zeitung

Diskussionsveranstaltung:Wie im Fernsehen, nur eine Spur witziger

Lesezeit: 2 min

Anne Will schwärmt vor Münchner Studenten von ihrem Job - und steckt mit ihrer Begeisterung den Hörsaal an.

Von Benjamin Emonts

Der Papst gab ihr einen Korb, und auch Gerhard Schröder und dessen Kumpel Wladimir Putin schlugen ihre Einladungen aus. Für das Kanzleramt gibt es eine Daueranfrage. Angela Merkel kam zwei Mal in die Sendung - um über ihre Flüchtlingspolitik zu reden. "Wir haben uns sehr gefreut, als sie unserer Einladung gefolgt ist", so Will. Die Zuschauerreaktionen hätten gezeigt, dass es ein großes Bedürfnis nach einer Erklärung der Kanzlerin zu diesem Thema gegeben habe.

Will, eine der profiliertesten Fernsehjournalistinnen des Landes, gewährt am Dienstagabend an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universtät Einblicke in ihren Beruf als Talkmasterin. In der Großen Aula stellt sie sich eineinhalb Stunden lang den Fragen von SZ-Redakteurin Karoline Meta Beisel und 700 Studentinnen und Studenten - so eloquent, wie man sie aus dem Fernsehen kennt, nur eine Spur witziger. Eingeladen haben das Institut für Kommunikationswissenschaft der LMU, die Süddeutsche Zeitung und jetzt.de.

Wills Talkshow läuft jeden Sonntag zur besten Sendezeit im Ersten, am vergangenen Wochenende zählte sie knapp vier Millionen Zuschauer, was als Beleg dafür gelten darf, dass politische Debatten längst nicht mehr nur in den Parlamenten, sondern auch im Fernsehen stattfinden. Die Frage, welchen Einfluss solch quotenstarke Sendungen auf die Demokratie und die Meinungsbildung der Bürger haben, wird am Dienstagabend aber nur angeschnitten. Von sich selbst erzählt Will, dass sie in ihren Sendungen immer wieder eines Besseren belehrt werde und ihre eigenen Haltungen revidiere. Diesen Anspruch stelle sie auch an ihr Format: "Man soll aus dem Austausch und den Argumentationen lernen. Wir wollen aufklärerisch sein."

Aber wie bereitet man sich auf so eine Talksendung vor? Diese Frage interessiert die Studenten besonders. Bis Mitte der Woche, berichtet Will, halte man sich offen, worüber am Sonntagabend getalkt wird, erst zum "Lesedonnerstag" falle die Entscheidung. Das Team stelle ihr ausführliche Dossiers über die Gäste zusammen, um deren Grundpositionen und mögliche Widersprüche zur Parteilinie zu studieren. Bereits am Vormittag hat Will etwa 120 Seiten verschiedenster Berichterstattungen zum jeweiligen Thema gelesen, sonntags bringt sie sich auf den neuesten Stand. "Sechzig Minuten sind eine lange Zeit, um auf etwas nicht vorbereitet zu sein und alt auszusehen", sagt Will.

Was gar nicht geht: Wenn Gäste vor der Sendung nach den Fragen fragen. "Das wäre total peinlich." Will spielt mit ihren Redakteuren vorab durch, wie die Gäste im Laufe der Sendung reagieren könnten und welche Wendungen sich ergeben. "Es passiert dann oft genauso", sagt Will. Längere Unterhaltungen mit den Gästen vor der Sendung vermeidet Will, um unvoreingenommen zu bleiben. "Höchstens ein bisschen Smalltalk über Fußball oder so."

Durchweg spricht Will begeistert über ihren Beruf und steckt die großteils jungen Zuhörer damit an. Der kurzweilige Abend endet dann geradezu anrührend. "Sie sind so inspirierend, schlagfertig, eloquent und erfolgreich", schmeichelt ihr ein junger Mann. "Was würden Sie uns jungen Menschen empfehlen, um auch so erfolgreich zu werden?" Mit ihrer Antwort erobert Will auch die letzten Herzen im Saal: "Finden Sie heraus, was Sie können. Jeder ist für etwas herausragend begabt. Was Sie glücklich macht, ist der Erfolg."

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels war zu lesen, dass Anne Will gesagt habe, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe sich regelrecht aufgedrängt, um in Wills Talksendung über die Flüchtlingspolitik zu sprechen. Das ist nicht korrekt. Vielmehr hat Anne Will in der Veranstaltung gesagt, es habe beim Publikum ein großes Bedürfnis gegeben, Merkel über das Thema sprechen zu hören. Die Redaktion von Anne Will habe sich daher sehr gefreut, dass die Kanzlerin ihrer Einladung gefolgt sei.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2019
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