Süddeutsche Zeitung

"Die Schläfer" auf Arte:Das Desinteresse der Kamera

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Eine Geigerin sucht im spätkommunistischen Prag nach ihrem verschwundenen Mann. "Die Schläfer" ist kühl inszeniert und wirkt dadurch umso stärker.

Von Helena Zacher

Prag in den späten 80er-Jahren: Während im Hintergrund melancholische Geigenmusik zu hören ist, folgt die Kamera einer unscheinbaren Frau durch tristes Wetter. Es ist Marie Skalova (Tatiana Pauhofová), eine 1977 nach London geflohene Geigerin, die ihren Mann Viktor (Martin Myšička) sucht. Sie hat Angst. Denn nachdem der berüchtigte Dissident nach einem Autounfall in Tschechien spurlos verschwunden ist, gerät auch sie in Gefahr. Marie wird von der Stasi verfolgt, ihr droht die Festnahme - dabei weiß sie kaum etwas von den politischen Verstrickungen ihres Mannes.

Bereits mit der Krimi-Serie Wasteland zeigte Ivan Zachariáš, dass er es versteht, die Geschichte seiner tschechischen Heimat als künstlerische Vorlage zu nutzen. Mit der sechsteiligen Miniserie Die Schläfer, die nun auf Arte läuft, erzählt der Regisseur die Geschichte eines Paares nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, das am Ende des Kommunismus in das Visier des Ministeriums für Staatssicherheit gerät. Da beunruhigt bereits der Vorspann, der untypisch actionarm daherkommt.

In einer Aneinanderreihung von Schnittbildern zeigt das Intro schlafende Protagonisten - auf dem Küchenstuhl, im Sessel, am Arbeitsplatz. Lange geschieht nichts und man wartet gespannt darauf, dass die Musik verstummt und die Handlung 1989 im Osten inmitten eines Komplotts der britischen und sowjetischen Geheimdienste einsetzt. Natürlich trifft man da auch auf Klischees: den bösen Russen, die steife Engländerin, den leidenschaftlichen Oppositionellen.

Viktor ist zwar allgegenwärtig, doch kaum zu sehen. Er bleibt ein Rätsel

Doch ganz so einfach, wie das zunächst scheint, ist es nicht. Die teils detailliert beschriebene Gegenwart der Figuren macht Schubladendenken schwer. So sympathisiert man schließlich mit dem berechnenden Agenten, dessen Frau im Sterben liegt, und empfindet Mitleid für die eiskalte Beamtin, die in die Hände der Kommunisten gerät. Maries Mann Viktor, der durch sein Verschwinden zwar allgegenwärtig, jedoch kaum zu sehen ist, bleibt dem Zuschauer hingegen ein Rätsel. Schwarz und Weiß scheint es in Die Schläfer nicht zu geben, lediglich den auf allem lastenden beige-braunen Filter.

Die Serie brilliert aber nicht nur durch diese Ambivalenz, sondern auch durch simple Kameraführung und nüchterne Szenen. Denn gerade das scheinbare Desinteresse der Kamera an den Momenten voll roher Gewalt verleiht den Bildern ihre Stärke. Wenn im Folterkeller der tschechischen Staatssicherheit also eher grobe Befragungsmethoden angewendet werden, verharrt der Blick seelenruhig auf dem rauchenden Agenten. Die Schreie des Gequälten werden - wie so oft in Die Schläfer - von melancholischer Geigenmusik übertönt.

Ein düsterer, klaustrophobischer Erzählton, nihilistische Atmosphäre sowie ein ständiger Widerspruch zwischen dem Innenleben der Protagonisten und den politischen Umständen lassen Die Schläfer glaubhaft bedrückend wirken. Die Schönheit der tschechischen Hauptstadt, detailgetreue Kulissen und friedliche Szenen, gefolgt von ungeahnter Brutalität machen die Serie sehenswert.

Die Schläfer, sechs Folgen, Donnerstag, 21.45 Uhr, Arte, und in der Mediathek

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