Süddeutsche Zeitung

Deutscher Radiopreis:Show der Besten

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Der Auszeichnung gelingt, woran das Fernsehen scheitert: Eine Kür, die öffentlich-rechtliches wie privates Programm würdigt - und souverän in die Zukunft weist.

Von Stefan Fischer

Es ist nie verkehrt, Udo Lindenberg auf die Bühne zu schicken, wenn man eine Party steigen lassen will. Schon gar nicht in Hamburg. "Ich zünd ihn an, unseren Vulkan", sang Lindenberg in der Elbphilharmonie.

Die versammelte Hörfunk-Branche ließ sich bei der Gala zum zehnten Deutschen Radiopreis dann auch nicht lange bitten. Der Ehrengast, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, trat schließlich, aufgefordert von N-Joy-Moderator Jens Hardeland, eine La-Ola-Welle los.

Zuvor hatte Steinmeier über das neue duale Mediensystem gesprochen: Hier das Radio und die Zeitungen, die kritisch berichteten und ihre Hörer wie Leser stets mit Geschichten konfrontierten, die sie überraschten und die ihnen auch nicht immer gefielen. Und dort die sozialen Medien, die den Nutzern in der Regel nur bestätigten, was sie ohnehin bereits wüssten und woran sie glaubten. So sieht er das.

Der Bundespräsident nannte keine Namen, und doch hat er darüber gesprochen, dass mit der AfD eine Partei im Bundestag und in sämtlichen deutschen Landesparlamenten sitzt, deren Mitglieder freiheitliche Medien verachten und insbesondere den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zerstören wollen. Dass Herbert Grönemeyer zum Abschluss der Gala den Song Fall der Fälle spielte über eben jene aktuellen deutschen "Geistesgefechte", wie es in dem Lied heißt, welches in den Vers "kein Millimeter nach rechts" mündet, ist durchaus programmatisch gemeint von den Veranstaltern des Deutschen Radiopreises.

So eine Auszeichnung erzählt ja immer auch etwas darüber, wo das betreffende Medium steht. Dreierlei fällt dabei auf: Dem Hörfunk glückt, was dem Fernsehen länger schon misslingt - einen Preis zu verleihen, den die gesamte Branche, private wie öffentlich-rechtliche Sender, ernst nimmt. Und der somit auch den Hörern guten Gewissens präsentiert werden kann als eine so unterhaltsame wie informative Show der Besten - 68 Wellen haben die knapp dreistündige Gala live übertragen.

Zum Zweiten dokumentieren die zwölf Preisträger, dass gutes Radio nicht nur bei den potenten Öffentlich-Rechtlichen sowie den großen Privatsendern entsteht.

Zur besten Moderatorin wurde Carmen Schmalfeldt von Radio Leverkusen gekürt, das Radio Emscher Lippe wurde für die beste Sendung ausgezeichnet - zum Ende des Steinkohlebergbaus hat das Lokalradio vier Stunden lang aus der Grube Prosper Haniel in 1200 Meter Tiefe gesendet. Radio Gong 96.3 gewann mit seiner Programmaktion, die zum Ziel hatte, die Zahl der Frauentaxis zu erhöhen. Für den Münchner Sender ist das der dritte Radiopreis in Folge.

Als Reaktion auf die zunehmende Entfremdung durchaus größerer Bevölkerungsgruppen von den klassischen Medien ist schließlich drittens eine Entwicklung zu beobachten: Die Radiomacher sprechen häufiger als früher nicht nur zu den Menschen, sondern auch mit ihnen. Der Abstieg des Radios Emscher Lippe zu den Kohlekumpels ist ein Beispiel dafür - genauso wie der Preis für Nicole Ritterbusch und Mario Neumann von Radio Bremen, die in ihrer Sendung Gesprächszeit Passanten für Interviews gewinnen und so mitunter auf bemerkenswerte Lebensgeschichten stoßen. Der Austausch von Rappers Roger Rekless, dem Newcomer des Jahres, mit seinen Hörern auf Bayern 3 und Puls ist ebenfalls intensiv.

Auch wenn viele der Laudatorinnen und Laudatoren vor allem von beglückenden Kindheits- und Jugenderinnerungen sprachen, die sie mit dem Radio verbinden, stellte der Hörfunk selbst lieber seine Innovationskraft zur Schau, als in Nostalgie zu verfallen: Erstmals wurde ein Podcast ausgezeichnet - Geheimakte Peggy von Antenne Bayern -, zudem wurde die App Swop von 104.6 RTL prämiert, die es Hörern erlaubt, individuell Songs im Programm auszutauschen. Deutschlandfunk Nova beweist, wie soziale Medien klug eingesetzt werden können, und Hit Radio FFH reibt sich an der Konkurrenz durch die künstliche Intelligenz von Sprachassistenten. Dem Radio ist nicht bang vor der Zukunft.

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SZ vom 27.09.2019
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