Süddeutsche Zeitung

Persönlichkeitsrechte:Bundesverfassungsgericht stärkt "Recht auf Vergessen" im Internet

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Das Bundesverfassungsgericht hat das Recht auf Vergessen im Internet auch bei schweren Straftaten gestärkt. Der Erste Senat gab am Mittwoch einer Verfassungsbeschwerde statt, die ein 1982 wegen Mordes verurteilter Mann gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs eingelegt hatte.

Der Mann wehrt sich dagegen, dass Berichte eines Nachrichtenmagazins bei einer Internetsuche mit seinem Namen unter den ersten Treffern angezeigt werden. Zumutbare Vorkehrungen gegen diese Auffindbarkeit wären in Betracht zu ziehen gewesen, urteilten die Verfassungsrichter. Die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht seien abzuwägen.

Bei aktueller Berichterstattung seien grundsätzlich auch identifizierende Berichte über rechtskräftig verurteilte Straftäter zulässig. Das berechtigte Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung nehme mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Tat aber ab. "Erst die Ermöglichung eines Zurücktretens vergangener Sachverhalte eröffnet den Einzelnen die Chance zum Neubeginn in Freiheit", hieß es im Beschluss.

Im aktuellen Fall ging es um einen Kläger, der 1982 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, er hatte zwei Menschen erschossen. In Archiv-Meldungen des Spiegels lassen sich bis heute Meldungen zum Mord finden. In ihnen wird auch der vollständige Name des Mannes genannt. Dagegen erhob der Mann schließlich eine Unterlassungsklage, die vom Bundesgerichtshof allerdings zurückgewiesen wurde. Der Mann zog daraufhin vor das Bundesverfassungsgericht.

In einer zweiten Entscheidung wies der Erste Senat eine Verfassungsbeschwerde gegen das Oberlandesgericht Celle ab. In diesem Fall verlangte eine Frau von einem Suchmaschinenbetreiber, die Verknüpfung ihres Namens mit einem Beitrag einer Rundfunkanstalt aus dem Jahr 2010 aufzuheben. Sie hatte für diesen Beitrag ein Interview gegeben.

Das Bundesverfassungsgericht stellte außerdem klar, dass es "nicht der einseitigen Verfügung des Betroffenen" unterläge, welche Informationen über sie als "interessant, bewundernswert, anstößig oder verewerflich erinnert werden". Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht lasse sich noch nicht das Recht ableiten, alle personenbezogenen Informationen aus dem Netz löschen lassen zu können.

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