Süddeutsche Zeitung

Späte Aufarbeitung  der Geschichte:Dunkler Fleck

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Von Joachim Käppner

"Zu jeder Zeit wegweisend" heißt es auf der Homepage des Bauer-Verlages unter dem Stichwort "Historie". Die kurze Geschichte des eigenen Hauses - von einer Manufaktur für Visitenkarten 1875 bis ins Zeitalter crossmedialer Markenfamilien hat zwei Teile: einen vor der Nazizeit, den anderen danach.

Es ist das typische Muster unternehmerischer Selbstdarstellung nach 1945: Was der Betrieb in den zwölf Jahren von Diktatur, Vernichtungskrieg und Holocaust getan oder nicht getan hatte, davon schwieg man beredt. Das war kein Privileg der Wirtschaft. Städte, Verbände, Berufsorganisationen hielten es ebenso, jahrzehntelang. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, änderte sich das erst ab den Achtzigerjahren, zunächst langsam, zuletzt immer schneller. Viele Medienhäuser haben Verstrickungen ihrer Vorgänger in die NS-Diktatur aufgearbeitet, untersuchen lassen oder selbst darüber berichtet, etwa DuMont und Bertelsmann. Die im Oktober 1945 gegründete SZ berichtete 2013 über die braune Vergangenheit mancher Gründerfiguren.

Beim Bauer-Verlag soll der dunkle Fleck nun verschwinden. Nach Berichten des NDR-Magazins Zapp und des Spiegel will das Medienhaus einen Geschichtswissenschaftler daransetzen, der sich mit "der Verlagsgeschichte zu Zeiten der nationalsozialistischen Herrschaft beschäftigen" soll. In einer knappen Mitteilung heißt es: "Wir verfügen über keinerlei Dokumentation über unsere Geschichte und besitzen keine Firmenunterlagen mehr aus der Zeit des Nationalsozialismus. Wir werden noch im Laufe des Jahres 2020 einen Historiker damit beauftragen, die Geschichte und die Vorgeschichte des Bauer-Verlages zu recherchieren und mit der Öffentlichkeit zu teilen."

Bauers "Rundfunk-Kritik" wurde 1933 in das "Funk-Echo" verwandelt

Wie "wegweisend" waren die Verlagsprodukte nun in den Jahren der Dunkelheit und Diktatur? Das große neue Medium der Dreißigerjahre war das Radio. Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels erkannte die Möglichkeiten, die es zur Manipulation der Massen bot. Der "Volksempfänger" wurde fester Bestandteil deutscher Haushalte; für weniger zahlungskräftige Schichten gab es eine billige Kleinausgabe, "Goebbels' Schnauze" genannt. Wegen der Bedeutung des Mediums Rundfunk waren Radio-Zeitschriften schon in der späten Weimarer Republik sehr populär. Bauers Rundfunk-Kritik verkaufte eine halbe Million Exemplare und diente nach 1933 als Funk-Echo der zur publizistischen Begleitung und Absicherung des Nazi-Staatsradios.

In der Mitteilung des NDR heißt es, es gebe "Hinweise darauf, dass der Bauer-Verlag mit seinem Zugpferd ,Funk-Wacht' im Sinne der nationalsozialistischen Machthaber arbeitete". Von Kollaboration mit der Diktatur muss man bei einem Verlag, der unter dem NS-Regime weiterbestand, zwar ohnehin ausgehen. Interessanter wird aber sein, wie aktiv und eilfertig genau der Verlag damals zum Helferlein des Regimes wurde. Noch weniger schmeichelhaft könnte die Untersuchung der Immobiliengeschäfte ausfallen, die Inhaber Alfred Bauer ab 1936 in Hamburg tätigte - offenkundig auch von Juden, deren Notlage er, wie viele Käufer damals, ausgenutzt haben könnte.

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Quelle:
SZ vom 16.01.2020
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